Lois McMaster Bujold: Der Kadett

Lois McMaster Bujold: Der Kadett
(Heyne 06/5020)


Eine Space Opera, so steht es auf der Titelseite. Was immer man darunter im Einzelnen verstehen mag, das Buch läßt sich lesen. Nur ein Wermutstropfen - jedenfalls für manche, andere wird gerade das begeistern: Das Buch ist der erste Teil einer vermutlichen Trilogie. Zumindest der nächste, bei Heyne angekündigte Band ("Barrayar", 5061) läßt durch seinen Titel darauf schließen, daß er mit diesem zusammenhängt.
Lois McMaster Bujold ist eine junge amerikanische Autorin, die bereits einen Hugo kassieren durfte. Der Umstand, daß sie eine Frau ist, hinderte sie allerdings nicht daran, eine Space Opera über vorwiegend martialische Angelegenheiten wie Krieg und Militär zu schreiben. Nun, das kennen wir ja bereits von Frau C.J. Cherryh.
"Der Kadett" handelt von einem jungen Mann aus einem der vornehmsten Adelsgeschlechter des Planeten Barrayar, der zwar eine interstellare Macht ist, aber dennoch ein Kaiserreich. Das können die anderen Welten nicht ganz verstehen, nichtsdestoweniger scheint die Regierungsform zu funktionieren. Der junge Mann namens Miles hat aber ein ziemliches Problem: Er kann kein Offizier werden, wie es ihm zustände, da er an einer geerbten Krankheit leidet - Kleinwuchs und Knochenschwäche. Am Anfang des Romans bricht er sich erst mal beide Beine bei dem Versuch, die Aufnahmeprüfung an der Offiziersakademie zu bestehen.
Während einer Reise auf einen anderen Planeten mit der Bezeichnung Beta-Kolonie, die er nach seiner Genesung mit Leibwächter und dessen Tochter unternimmt, beginnen dann auch seine Abenteuer. Er trifft einige merkwürdige Aussteigertypen, denen er hilft. Ehe er es sich versieht, hat sich Miles in ein Netz von Hochstapeleien und Bluff verstrickt, das ihn weiter ins All hinaus führt. Er gibt sich als Kommandeur einer nicht existierenden Söldnertruppe aus und wirbt auch tatsächlich Leute an. Zwar hat er eher Schulden als Geld, doch das macht nichts. Die plötzlich doch existierende Truppe wird in einen lokalen Konflikt verwickelt und so fort.
Zum Glück ist Miles eine wahre Führerpersönlichkeit. Und genau hier werden sich vermutlich die Geister der Kritiker scheiden. Denn diese Art Persönlichkeit gibt es schon ein paar Mal in der SF dieser Variante. Mir fällt z.B. Margaret Weis' "Sternenhüter"-Zyklus ein, oder Asprins "Chaotenkompanie". Die militärischen Traditionen eines fast darauf beschränkten Planeten gibt es ebenfalls vielfältig, von den Dorsai angefangen bis zu Cherryhs Volk der "Sterbenden Sonnen". Das Muster ist immer sehr ähnlich: Ein Mensch, meist ein Mann oder sogar ein Junge, dem man erst mal nicht viel zutraut - wobei der Leser aber meistens weiß, daß das falsch ist - erringt das Vertrauen von ein, zwei, vielen erfahrenen Kämpen, die er dann durch sein militärisches Genie, Charisma und solche Dinger zum Sieg führt. Es ist auch meist so, daß ihn das selbst überrascht und er eigentlich Führer wider Willen wird. Er macht dabei aus einem zusammengewürfelten Haufen mit seinen unorthodoxen Methoden eine unschlagbare Truppe.
Genau diesem Muster folgt auch die Autorin dieses Romans. Miles stolpert regelrecht von Station zu Station, will eigentlich nur die Leute hinhalten, um sich dann verdrücken zu können, aber am Ende ist er "Admiral" einer 3000 Mann starken Truppe mit mehreren Raumschiffen.
Die Philosophie von der geborenen Führerpersönlichkeit ist natürlich nicht ganz unstrittig. Kann man auch nicht leugnen, daß es Menschen gibt, die so etwas in der Art sind, die sozusagen ein Talent zum Leiten haben, so weckt der Gedanke in den meisten Zusammenhängen ein vages ungutes Gefühl. Die Trennung zwischen den "natürlichen" Führern und denen, die ihnen fast blind folgen, klingt doch den meisten Ohren zu sehr nach Herrenmenschenideologie. Auch wird der vordergründige Monarchismus und Militarismus der Barrayarer nicht ungeteilte Zustimmung finden. Das Buch ist also nichts für harte Pazifisten.
Aber wenn der Leser bereit ist, die Existenz einer galaktischen Monarchie und von interstellaren Kriegen sowie Söldnern für die Dauer der Lektüre zu akzeptieren, erwartet ihn hier eine wirklich hervorragend geschriebene Space Opera. Die Autorin benutzt deren übliche Versatzstücke - einige erwähnte ich - sehr gekonnt, um ihre Geschichte spannend und interessant zu erzählen. Der Kampf steht eigentlich gar nicht so sehr im Vordergrund der Handlung. Viel mehr ist es das Geschick des Protagonisten, sich trotz anfänglicher totaler Unterlegenheit erst einmal durchzuwinden, woraus dann sein Erfolgskurs wird, der es ihm ermöglicht, den Verlauf des lokalen Krieges zu verändern. Miles wird von der Autorin als Person überzeugend dargestellt, seine Erfolge mit anderen Menschen wirken durchaus glaubwürdig.
Das Buch ist in der Tat stilistisch gut geschrieben und humorvoll, wie auf seiner Rückseite angekündigt wird. Wenn es seiner Autorin gelingt, dieses Niveau in der zu erwartenden Fortsetzung zu halten, stehen uns noch spannende Leseabenteuer bevor.

["The Warrior's Apprentice", Lois McMaster Bujold 1986, übersetzt von Edda Petri 1993, 381 Seiten, DM 14.90] 

SX 43

 

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