Lois McMaster Bujold: Scherben der Ehre
Lois McMaster Bujold: Scherben der Ehre
(Heyne 06/4968)
Um es noch einmal zu sagen, die Erscheinungsweise des Barrayar-Zyklus'
ist einfach chaotisch. Nun liegt endlich der erste Band in Deutsch vor,
nachdem die folgenden drei offenbar nach dem Zufallsprinzip herausgegeben
wurden. Seine Nummer liegt allerdings weit zurück - zunächst
dachte ich deshalb an eine Neuauflage, aber das Copyright der Übersetzung
ist 1994. Jedenfalls erschien das Original 1986. Woran das Durcheinander
liegt, weiß wohl nur der Verlag, aber nach meinen negativen Erfahrungen
auf der Buchmesse wage ich nicht, dort nachzufragen.
Etwas Gutes hat die Sache allerdings: Nun, wo alle (bisher geschriebenen)
Bände vorliegen, kann man sie entweder noch einmal lesen oder anfangen,
sie zu kaufen, falls einem diese Sachen liegen.
Ich nehme an, man muß den Barrayar-Zyklus zu den Space Operas
rechnen. Wie ich schon bemerkte, ist der kritische Punkt an den zugehörigen
Büchern der militaristische Hintergrund. Manchem mag das ja gefallen,
aber es ist nicht gerade in. Andererseits gibt es da wesentlich schlimmere
Beispiele. McMaster Bujold benutzt Militär, höfische Intrigen
und Krieg, um ihre Handlung zu gestalten, zum Glück ohne übertriebene
Glorifizierung. Zum eigenartigen Ehrverständnis der Barrayaraner bewahrt
sie sich, zumindest im vorliegenden Buch, eine kritische Distanz. Manchmal
führt das allerdings zu recht seltsamen Aussagen. So wird die Rolle
der Frau zum Beispiel auch daran beurteilt, ob es ihr erlaubt ist, Soldat(in)
zu werden!
Der erste Band des Zyklus' handelt davon, wie Captain Cordelia Naismith
(die spätere Mutter von Miles aus "Der Kadett" und "Der Prinz und
der Söldner") ihren zukünftigen Mann, den Barrayaraner Lord Vorkosigan,
kennenlernt. Die Handlung wird also aus ihrer Sicht erzählt.
Zu Beginn ist die Heldin damit beschäftigt, einen neuen Planeten
zu erforschen, da sie zu einem paramilitärischen Erkundungsteam der
Beta-Kolonie gehört. Barrayaraner, die den Planeten insgeheim für
sich beanspruchen, greifen die Gruppe an, und sie gerät in die Gefangenschaft
Vorkosigans, der seinerseits durch eine interne Meuterei (des Politoffiziers!)
von seiner Truppe getrennt wurde. Sie müssen sich nun zu einem Depot
durchschlagen, der Lord sein Raumschiff zurückerobern und möglichst
noch seinen geheimen Auftrag erfüllen.
Alles dient aber eigentlich dazu, eine Invasion der Barrayaraner auf
einer dritten Welt, Escobar, vorzubereiten, welche wieder dazu dient, einen
unbequemen Thronfolger des Kaisers von Barrayar und das politische Ministerium
gleich mit aus dem Weg zu räumen, was sein Vater selbst befohlen hat,
der im Sterben liegt. Man sieht, die Politik im Universum ist einfach und
geradlinig wie eine Bundestagsdebatte.
Während Cordelia die Flucht gelingt (obwohl sie sich in den Lord
verliebt hat, flieht sie, der Pflicht gehorchend), eskaliert der Krieg
um Escobar. Die Handlung überspringt eine gewisse Zeit, dann treffen
wir Cordelia wieder, die nun in den Betanischen Streitkräften dient.
Nach einer Aktion gerät sie wieder in die Gefangenschaft der Barrayaraner,
jetzt aber in die Gewalt eines üblen Perverslings. In der schier auswegslosen
Lage wird sie dann aber doch befreit - natürlich von Lord Vorkosigan
- nur weiß man das alles schon mehr oder weniger, wenn man die anderen
Bände gelesen hat.
Als er Thronfolger und alle Bösen tot sind, wird der Krieg abgeblasen
und Cordelia als Gefangene ausgetauscht. Da man glaubt, daß sie den
Oberperversling selber umgelegt hat, wird sie zu Hause zunächst als
Heldin gefeiert. Dann aber gerät sie schnell in die Mühlen des
Geheimdienstes. Psychologen versuchen sie auszuquetschen, weil man meint,
die Barrayaraner hätten sie manipuliert. Dieser Teil ist sehr überzeugend,
denn so funktioniert das Denken paranoider Regierungen tatsächlich.
Schließlich gelingt ihr die Flucht nach Barrayar, wo sie ihren
Lord ehelicht und der zum Regenten für den Enkel des Kaisers wird.
Der Rest steht in den nächsten Büchern. Jedenfalls lebten sie
nicht glücklich bis ans Ende ihrer Tage...
Das Buch wäre ein weiteres mehr oder minder zu akzeptierendes
Werk über stellare Kriege, verwirrende Spiele um Ehre, Erbe, Macht
und Politik, wenn nicht der "Epilog Schaurige Ernte" wäre. In diesem
letzten Kapitel, in dem ganz andere Figuren handeln, wird die Einstellung
zum Krieg relativiert. Eine Truppe von Escobar sammelt im Orbit des Planeten
die Reste der kosmischen Schlacht ein: gefrorene Leichen. Was da beschrieben
wird, gibt dann doch ein wenig zu denken.
Der Barrayar-Zyklus ist also etwas für Freunde der Space Opera,
von Kämpfen mit Raumschiffen und von Mann zu Mann, von der anachronistischen
Mischung zwischen Disruptorpistolen und Schwertern. Vier weitere Bände
sind in Vorbereitung.
[Shards of Honor, © Lois McMaster Bujold 1986, übersetzt von
Michael Morgental 1994, 333 Seiten, DM 14,90]
SX 51
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