Manfred Küchler: Der Planet ohne Sonne
Manfred Küchler: Der Planet ohne Sonne
Zur Rezension im ND vom 2.9.89 von Klaus-Dieter Schönewerk
Nachdem ich das Buch bereits einmal nach einigen Seiten recht frustriert
aus der Hand gelegt hatte, sah ich mich nun durch eine sehr wohlwollende
- man könnte sagen, fast kritiklose - Kritik im Neuen Deutschland
vom 2.9.89 genötigt, es ganz zu lesen. Die rezension kam mir gar zu
widersprüchlich meinen eigenen Eindrücken gegenüber vor.
Ich kann mir nicht erklären, wie K.-D. Schönewerk zu solchen
Aussagen gelangt, wie er sie in seinem Artikel reihenweise anführt.
Mir waren die "Überraschungseffekte" und jähen Wendungen am Schluß
eher unlogisch und unverständlich. Doch ich mache wohl den selben
Fehler, den der Rezensent scheinbar als einen besonderen Kunstgriff ansieht,
wenn er gleich im ersten Satz ausposaunt, daß die Geschichte (keine
Angst, lieber Leser!) glücklich ausgeht.
Das beste am ganzen Roman ist Küchlers Anliegen, aber das auch
nur relativ gesehen. Eigenartigerweise erwähnt Schönewerk die
von Küchler angesprochenen Umweltprobleme und die Fragen der Verarmung
zwischenmenschlicher Beziehungen in unserem Heute mit keinem Wort. Vielleicht,
weil er dann sofort ein ganz großes Aber anschließen müßte?
Denn Küchlers Umweltprobleme werden nur plakativ vorgetragen (im wahrsten
Sinne des Wortes), Beziehungsschwierigkeiten werden größtenteils
referiert, nicht vorgeführt. Man wird sich fragen, wenn schon die
Stärken solche Schwächen aufweisen, was dann...? Und in der Tat
- nicht nur "auf den ersten Blick" ist Küchlers Einfall von herkömmlicher
Art, er ist schon so abgenutzt, daß einem das große Stöhnen
kommt. Wenn der Autor die (heute bei uns in Mode gekommene) Umweltproblematik
weggelassen hätte, was wäre dann noch an Eigenem zu vermerken?
Um was geht es ganz schematisch? Raumschiff (-besatzung) gerät
auf Planeten, gerät in Gefangenschaft von böser Zivilisation,
die zu allem Überdruß noch so menschenähnlich ist, daß
flugs miteinander geschlafen werden kann, es gelingt - dank der unterdrückten
proletarisch-guten Masse - zu fliehen, und Ende. Was fällt einem da
nicht alles ein von "Titanus" über "Kurs Ganymed" bis hin zu, ach,
lassen wir es. Das ist doch der überholteste Schnee von gestern, ganz
einfach primitiv. Und dann diese absurde fremde Zivilisation! Helmaten
- wohl von Helm / Automaten oder so abgeleitet - ihr Name, kindischer ging
es schon nicht mehr (oder doch: vielleicht Blechköpfler??). Natürlich
lebt diese Gattung bedauernswerter, vom Diktator Eins unterdrückter
Geschöpfe unterplanetar, computergesteuert und totalüberwacht
von Kamera und Lautsprecher. Der "Big Brother" läßt grüßen?
Wie eigentlich kann sich ein Rezensent dazu versteigen, anläßlich
dieses Buches zu äußern, der Autor schreibe "gegen gängige
Klischees"? Wie wahr, Küchler extrapoliert wirklich nicht heutige
Probleme, nein: er übernimmt sie derart unverfremdet, daß man
sich schüttelt. Da wird der Wodka an Bord geschmuggelt und Sto Gramm
getrunken, ein Umweltexperte ist einfach einer mit einem Spleen, und man
wettert schnell mal gegen junge Leute, "die alle blaue Hosen tragen." Ich
fand jedenfalls an der Lektüre nichts, was "vergnüglich und gewinnbringend"
gewesen wäre.
Von der Illusion, daß SF-Schreiber wissen, wovon sie schreiben,
mußte ich mich ja schon vor längerer Zeit trennen, doch manchmal
kommt es eben wieder durch und ich bin neu enttäuscht. Von Astronomie
und Raumfahrt scheint Küchler nicht viel zu verstehen. Solange die
Helden noch nicht auf dem Planeten sind, wo sie endlich zum Zuge kommen,
werden sie ja ohnehin auf Eis gelegt, doch es ließ sich nicht vermeiden,
ein paar "technische Details" zu erwähnen, die sie erst mal hinbringen.
Ich möchte hier nicht weiter auf die Fragwürdigkeit des Namens
"Mischka" für einen erwachsenen Protagonisten eingehen. Das ist noch
das geringste Übel bei der Figurenzeichnung. Werfen wir einen Blick
auf einige amüsante astronomische Unsinnigkeiten.
Da ist z.B. die Entdeckung des Planeten, der innerhalb von 9 Zeilen
(S. 7) vom unbekannten Objekt über Himmelskörper zum Planeten
avanciert, worauf er erlischt. Nun kann man sagen, die Beobachtungstechnik
der Zukunft machts möglich, aber trotzdem hätte gesagt
werden müssen, inwieweit eine "komplexe Forschungsautomatik" - was
immer das sein mag - die Ergebnisse von astronomischen Beobachtungen verbessert.
Die Entdeckung des Planeten und seine Größenmessung wirken unglaubwürdig.
Küchler stolpert und holpert so recht und schlecht in seine Geschichte
hinein, sei es über die idiotische Reaktion der Anka ("Wir werden
den Vorfall in der Leitung besprechen.") oder den markigen Satz, es sei
ein "Novum in der Wissenschaft", daß ein nichtexistenter Planet zwei
verschiedene Größen besitzt. Vielleicht sollte Küchler
mal einen Blick auf die Geschichte der Größenvermessung bei
Pluto werfen, eines durchaus existenten Planeten. Was soll übrigens
ein "noch nie definierter Planet" sein? Und vor allem: wo ist er eigentlich?
Es wird nicht die geringste Angabe gemacht, unter der sich der Leser etwas
vorstellen könnte. Man muß vermuten, daß es sich um einen
Planeten eines fremden Sterns handelt, dann ist es aber beachtlich, wie
man zu einer Auflösung von unter 400 m bei der Beobachtungstechnik
gelangt (S. 22). Apropos Beobachtungstechnik: auch auf Seite 22 beliebt
man, den Planeten gleichzeitig mit Spiegelteleskop, Bildschirm und Zeitraffer
zu beobachten. Weiß Küchler überhaupt, wie ein Zeitraffer
arbeitet? Das sind einfach dem Leser hingeworfene Brocken, die ein gewisses
Maß an Technik vorgaukeln sollen. Doch dann kommt ein Alarm, den
Mischka ganz reflexmäßig auslöst. Aber ihn erschrecken
flackernde Birnen (!) und die Sirene. (Mischka ist wirklich kein kindlicher
Blinder Passagier, sondern der Kommandant!) Mich erschreckte etwas anderes.
Die Besatzung erscheint wahrhaftig bei Alarm in Bademantel und Trainingsanzug.
Nein, es ist kein Druckfehler, der aus "Schutzanzug" etwas anderes machte.
Tja, und während das Raumschiff dann erst mal (wie in solchen Fällen
üblich) abstürzt, ergehen sich Mischka und Anka in der Liebe
- für alle Fälle, falls man als Toter dann keine Zeit mehr hat.
Schnell klärt Küchler auf Seite 37 in wenigen, präzisen
Feststellungen der hochspezialqualifizierten Besatzung, was der Leser vom
Planeten und der "außer Kontrolle geratenen Industriegesellschaft"
zu halten hat. Dann kann es weitergehen. Wahrlich, "straff erzählt
und nicht ausgeufert" (Schönewerk).
Sprachlich ist das Buch stellenweise so primitiv und kindisch, daß
die grauenvollen Zeichnungen, mit denen ein Rolf Xago Schröder das
Werk verunstalten durfte, schon wieder zum Text passen. Da "heulen die
Düsen", "das Raumschiff beruhigt sich" und die archaischen "Bremsraketen"
bremsen (ohne Erfolg - wie in solchen Fällen üblich). Die "Birnen"
leuchten auf den diversen Schaltpulten und man "drückt" auf alle möglichen
Sachen ordentlich drauf - nein, in Rechner gibt man ja nichts ein, man
drückt sie halt.
Vor etlichen Jahren sagte mir einmal Klaus Frühauf, er habe bei
der Einstufung von "Mutanten auf Andromeda" als wissenschaftlich- phantastischen
Roman wegen der Wissenschaftlichkeit Schwierigkeiten gehabt, weil das ein
"Reaktor brummend anlief". Jener Schwierigkeiten machende Lektor ist vermutlich
längst von der Bildfläche verschwunden. Schade.
SX 3
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