Margaret Ball: Lost in Translation

Margaret Ball: Lost in Translation
(Baen Books 1995, $ 5.99, 278 Seiten)


Der Titel ist nicht einfach zu interpretieren, bedeutet er doch eigentlich, daß etwas beim Übersetzen verlorengeht. Hier geht jemand verloren, aber beim Überqueren des Atlantiks. Auch die andere Bedeutung von "lost" - verirrt - könnte hier zutreffen. Aber so kompliziert ist das Buch nun auch wieder nicht.
Die amerikanische Studentin Allie wird von ihrem mit ihr unzufriedenen Vater für ein Semester an eine Universität in Frankreich geschickt. Bei ihrer Ankunft in Orly geht sie verloren. Der Grund dafür sind die Bemühungen eines Zauberers auf irgendeiner anderen Welt, der für ein finsteres Experiment die Seele eines Menschen der "Älteren Welt", also der Erde, braucht. Dieser Aigar hat nach einigen Fehlschlägen (er bekommt eine Gitarre, Laborratten und ein Auto) endlich Erfolg. Allie erscheint - und wandert davon, noch bevor er sie umbringen kann. Sie trifft auch gleich zwei Studenten, die sich ihrer annehmen. Denn zufällig ist sie auf jener anderen Welt auf dem Campus einer Universität gelandet.
Allie glaubt, daß sie in Europa ist; weder die mittelalterliche Umgebung ohne Strom, Computer und Autos noch der Umstand, daß man hier Magie studieren kann, bringen sie aus der Ruhe. Und leider ist das der Teil, wo die Story für mich einfach nicht funktioniert. So dermaßen verblödet kann einfach niemand sein. Die Autorin kann mir nicht einreden, daß eine amerikanische Studentin, auch wenn sie ihr Studium bisher nicht gerade ernst genommen hat, von Europa derart falsche oder auch nur verschwommene Vorstellungen haben könnte, so daß es ihr nicht nach fünf Minuten auffällt, daß hier etwas ganz oberfaul ist. Oder etwa doch?
Erst relativ spät "entdeckt" Allie, daß sie nicht mehr auf der guten alten Erde weilt. Unterstützt wird diese Seltsamkeit dadurch, daß sie die Sprache der Menschen sprechen und verstehen kann, obwohl ihr auffällt, daß es nicht Französisch oder Englisch ist. Das scheint fast schon eine Konvention der Fantasy zu sein, allerdings eine schlechte. Hier wird durch nichts erklärt, warum Allie auf magische Weise in der Lage ist, sich mit den Leuten zu verständigen. Das dient der Bequemlichkeit des Autors, aber es fördert nicht die Glaubwürdigkeit einer Geschichte.
Der weitere Plot entwickelt sich ohne besondere Tiefgründigkeit. Der böse Magier hat vor, zusammen mit einem anderen Widerling das Land mit Krieg zu überziehen, wozu er für seine Magie Allies Seele braucht. Er bekommt sie natürlich nicht, und der Krieg wird nach einer Weile auch beendet. Allie kehrt noch einmal auf die Erde zurück und wird von ihrem Vater enttäuscht, so daß sie beschließt, auf der anderen Welt zu bleiben, wo man sie liebt und sie einen Platz gefunden hat. Dieser Schluß erfolgt recht gedrängt, er ist auch nicht mehr besonders wichtig.
Die Stärken des Romans liegen wie üblich im Aufeinanderstoßen zweier unterschiedlicher Kulturen. Das macht ihn hinreichend humorvoll, um ihn zu lesen. Allerdings verlieren sich anfangs die Möglichkeiten der Gegenüberstellung, weil Allie nichts kapiert und ihre Gegenüber auch nicht recht wissen, was sie von ihr halten sollen. An einer späteren Stelle, die hätte interessant sein können, verliert sich die Autorin in einem sinnlosen Hin-und-Hergefrage, ohne die Potenzen der Situation auszuschöpfen. Nachdem bis dahin alles klappte, sehen sich die Protagonisten plötzlich (als Allie erkannt hat, wo sie ist) in gegenseitigem Nichtverstehen. Der eine weiß mit Computern und Technik so wenig anzufangen, wie die andere mit Magie und der Lebenskraft des Landes.
Alles in allem eine hübsche, anspruchslose Abenteuergeschichte aus der Reihe "Jemand wie du und ich wird auf eine Fantasy-Welt versetzt und rettet diese / muß sich behaupten / macht sich nichts draus" oder so. Schnell zu lesen, wenn man gewillt ist, ein paar Ungereimtheiten zu übersehen. 

SX 71

 

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