Mercedes Lackey & Larry Dixon: Born to Run / Chrome Circle

Der SERRAted Edge - Zyklus
Mercedes Lackey & Larry Dixon: Born to Run / Chrome Circle
(Baen Books 1992 & 1994)


 
Mercedes Lackey ist laut Werbung eine der momentan heißesten Fantasy-Autorinnen in den USA, und was ich von ihr gelesen habe, bestätigt diese Einschätzung durchaus. Zu den Büchern, bei denen sie als Partner eines Teams fungiert, gehören neben dem hier zu besprechenden Zyklus auch Romane mit Anne McCaffrey oder Piers Anthony bzw. der Urban Fantasy Zyklus mit Ellen Guon (siehe SX 55). Solo hat sie z.B. den Bardic Voices Zyklus geschrieben, bei Bastei-Lübbe erschienen "Die Chroniken von Valdemar". Man sollte sich ihren Namen also merken.
Neben den beiden Romanen "Born to Run" und "Chrome Circle" zählen im Augenblick zum SERRAted Edge Zyklus noch "Wheels of Fire" ("Räder aus Feuer", s. SX 55) und "When the Bough Breaks" ("Wenn der Bogen bricht").
Die Bücher hängen lose über einige Hauptgestalten zusammen, sind aber eigentlich nicht Fortsetzungen, so daß man sie auch einzeln lesen kann. Was sie verbindet, ist der Grundgedanke, daß Elfen und Magier (und noch viele andere mythische Kreaturen) selbst heute unerkannt unter uns leben und wirken. Sie sind in der Lage, aus einer Art Parallelwelt, die als Underhill (Underberg? Ich meine natürlich Unter dem Berge.) bezeichnet wird, in die unsere hinüber zu wechslen. Hier können sie aktiv werden, solange sie nicht von Kaltem Eisen zu sehr behindert werden. Das vertragen sie nämlich nicht. Aber da Eisen mehr und mehr von Plaste und Leichtmetallen aus unserer Welt verdrängt wird, können die Elfen sich wieder aus ihren Schlupfwinkeln wagen. Die guten und die bösen. Die guten Elfen haben SERRA gegründet, eine Art Organisation für Autorennfahrer, um in der Welt der Menschen richtiges Geld verdienen zu können. Das brauchen sie, um Kindern und Armen zu helfen. Vor allem um Kinder mit Problemen kümmern sie sich sehr.
Aber es gibt auch menschliche Zauberer, Leute mit Talent zur Magie. Einer von ihnen ist Tannim, ein Rennfahrer für SERRA und Verbindungsmann zur Menschenwelt. Ihm begegnet der Leser als Hauptfigur in den beiden vorliegenden Romanen. Genau wie die Elfen kümmert er sich neben seinen sonstigen Aufgaben in "Born to Run" um mißhandelte und gefährdete Kinder. Vor allem die beiden ersten Bände des Zyklus lassen ganz deutlich die Ambitionen der Autoren erkennen, mit den Büchern auch in der Realität etwas zu bewegen. Sie prangern schonungslos und mit erstaunlicher Offenheit Gewalt gegen Kinder, Prostitution, Sektenunwesen und andere Mißstände an. "Chrome Circle" dagegen ist eher ein pures Fantasybuch, in dem Tannim mit sehr exotischen Problemen von Underhill zu kämpfen hat. Doch auch in diesem Buch finden sich Passagen, die nachdenklich machen.
Dabei sind die Romane in keiner Weise didaktisch. Die Handlung ist äußerst spannend, sehr gut und stellenweise auch witzig erzählt, das Tempo paßt durchaus zu dem Rennfahrerhintergrund. Die verborgene Welt der Magie ist schillernd und erstaunlich, und gleichzeitig plausibel.
Im ersten Teil begegnet Tannim der von zu Hause fortgelaufenen minderjährigen Tania, die sich als Prostituierte durchschlägt. Er versucht, ihr vorsichtig zu helfen, wird aber durch ein "internes" Problem der Elfen behindert, die gerade von ihren eigenen Feinden bedrängt werden. Diese doppelte Handlung macht das Buch sehr spannend, da sich beide Stränge natürlich verknüpfen und zu einem furiosen Finale führen. Die bösen Elfen, welche sowohl das Mädchen und seine Freunde als auch die Guten bedrohen, betreiben einen Kinderpornoring und produzieren Videos, bei denen ich gerne daran zweifeln würde, ob es so etwas wirklich gibt. In den sogenannten snuff-films werden vor der Kamera Menschen tatsächlich zu Tode gefoltert. Daß die Bösen auch noch mit Drogen handeln, erscheint daneben fast harmlos. Aber die Autoren bestätigen die Realität dieser Verbrechen in einem Nachwort noch einmal, wenn sie sich an die Opfer wenden, um ihnen zu sagen, daß sie auch ohne Elfen und Magie Hilfe bekommen können. Genauso übrigens in "Wheels of Fire", in dem der Elf Alinor einen kleinen Jungen aus der Gewalt einer satanisch-faschistoiden Sekte befreit.
Im dritten Teil wird Tannim nach Underhill gelockt, weil die bösen Elfen seine Einmischung satt haben. Er hat sich wohl in seinem kurzen Leben ein paar Feinde zuviel gemacht - darunter auch einen Drachen. Doch er hat auch eine ganze Reihe von Freunden - Geister, Menschen und ebenfalls einen Drachen. Tannim findet bei der abenteuerlichen Odyssee durch Underhill nebenbei auch seine Liebe (eine Hybridin zwischen einem Drachen und einem japanischen Kitsune [irgendein neunschwänziges, gestaltwandelnes, fuchsartiges Wesen]). Die grausamen Bösen werden wieder einmal in ihre Schranken verwiesen. Die Story greift neben Tannim auch Personen aus dem zweiten Teil auf, so daß deren Schicksal weiter erfolgt werden kann. Obwohl sich das Buch nicht wie die anderen ausdrücklich um ein gegenwärtiges soziales Problem rankt, hat es - wie gesagt - doch seine besonderen Stellen. Eine möchte ich hier zitieren:
"Die moderne Welt war beängstigend genug, so daß die meisten Leute durch diese uralten Geschöpfe nicht mehr erschreckt werden konnten. Wo war die Macht glühender Augen, Entsetzen zu verbreiten, wenn Rattenaugen jeden Tag die Kinder von unter den Möbeln in ihren Ghettowohnungen ansahen? Wie konnte ein Mann durch nach ihm greifende Baumäste geängstigt werden, wenn unter dem Baum ein Cracksüchtiger mit einer Pistole war? Stöhnen und Schreie in der Dunkelheit konnten der Nachbar sein, der seine Frau und seine Kinder zu Brei schlug - und er mochte sich gut auf jeden anderen stürzen, der dazwischenging, also ignorierte man Gestöhn und Geschrei lieber." (S. 119f.)
Keine Frage, daß ich mich nun verstärkt nach dem letzten, mir noch fehlenden Teil umsehen werde (schon bestellt.). Ich weiß nicht, ob man die Bücher jemals auf Deutsch wird lesen können - einiges wird doch recht deutlich beschrieben, das könnte Verlage vielleicht abschrecken. Aber wer glaubt, daß Deutschland die kritischen Aussagen der Bücher nicht nötig hätte, ist wohl ein wenig zu blauäugig. Man kann nur hoffen, daß sie bald auch für unseren Markt entdeckt werden.
Ein kleiner Nebeneffekt der Bücher: Da die Elfen kein Koffeein vertragen und deshalb auch auf des Amerikaners liebstes Getränk, die Cola, verzichten müssen, trinken sie alle Nase lang und ausschließlich "Gatorade". In einem Supermarkt bei Halle fand ich heraus, daß dies ein kohlensäurefreies Erfrischungsgetränk der Firma Stokely-Van Camp Inc., USA ist. Soviel zur Werbung.

[Born to Run, © Mercedes Lackey & Larry Dixon 1992, 317 Seiten, $ 4.99]
[Wheels of Fire, © Mercedes Lackey & Mark Shepherd 1992, 389 Seiten, $ 4.99]
[When the Bough Breaks, © Mercedes Lackey & Holly Lisle]
[Chrome Circle, © Mercedes Lackey & Larry Dixon 1994, 362 Seiten, $ 5.99]
 
SX 62


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