Michael Crichton: Die Gedanken des Bösen

Michael Crichton: Die Gedanken des Bösen
(Rowohlt 1993)


Crichton ("Westworld", "Futureworld", "Jurassic Park") scheint zwei Spezialitäten zu besitzen: einerseits erfolgreiche Filmvorlagen zu schreiben und andererseits so wissenschaftliche SF zu machen, daß man das vorliegende Buch gleich einen "Science-Thriller" nannte. Warum der Verlag sich dazu bemüßigt fühlte, läßt sich nicht nachvollziehen. Es handelt sich eindeutig um Science Fiction. Ein wenig viel "Science" ist vielleicht dabei.
Wie ich schon beim Lesen von "Dinopark" feststellte, streut der Autor gern sehr wissenschaftlich aussehende Computerausdrucke und Zahlentabellen in seinen Text ein. Warum auch nicht? Es wirkt zumindest sehr undurchsichtig. Hinzu kommen seitenlange Erläuterungen von naturwissenschaftlichen Tatsachen, die seine Protagonisten irgendwie vortragen dürfen. In dieser Hinsicht lehnt sich Crichton wohl an der frühen SF an, wo solche Darstellungen ander Tagesordnung waren. Trotzdem wirkt sein Stil dabei nicht etwa antiquiert, der Mann könnte durchaus ein gut verständliches populärwissenschaftliches Buch verfassen. Es ist ganz günstig, wenn man als Leser versucht, seinen Ausführungen zu folgen, denn die geschilderten Dinge sind nicht unwichtig für das Verständnis späterer Ereignisse.
Aber ein SF-Roman ist nun mal kein populärwissenschaftliches Buch, wie interessant diese Teile auch sein mögen (man kann sogar davon ausgehen, daß die ausführlichen Erklärungen den Tatsachen entsprechen). Wie steht es mit der Handlung und den Figuren des Buches?
Diesmal kommt kein neuer Freizeitpark auf die Leser zu, wenn es sich auch angeboten hätte - vielleicht als "Seaworld". Eine Gruppe (amerikanischer) Experten wird in den Pazifischen Ozean gerufen, um etwas zu untersuchen, was der Hauptheld zunächst für einen Flugzeugabsturz hält, da er häufig zu solchen Ereignissen geholt wird. Es handelt sich aber um ein 900 m langes Raumschiff, das seit 300 Jahren dort unten liegt. Offenbar außerirdischen Ursprunges - oder vielleicht nicht? Jedenfalls sollen die Zivilisten zusammen mit der Navy der Sache und dem Ozean auf den Grund gehen.
Das Tiefseeabenteuer kann beginnen.
Was bei Crichton beginnt, ist aber eine Kette von Seltsamkeiten, teils in der Handlung, teils in seiner Darstellungsweise. Als was sich das Raumschiff nun letzten Endes herausstellt, will ich hier mal verschweigen. In bewährter Weise hat der Autor ein Buch abgeliefert, das man sich verfilmt gut vorstellen kann (die langen wissenschaftlichen Erklärungen fielen dann sicher weg). Spannung und Aufregung sind bei diesem Handlungsort natürlich automatisch dabei. Nicht nur das untermeerische Fluidum sorgt dafür, auch die bösen, bösen Vorgesetzten, die natürlich skrupellos genug sind, den armen Haupthelden in die Tiefe zu schicken, obwohl er gesundheitlich gar nicht mehr runter dürfte. (Komischerweise hat das aber nicht den geringsten Einfluß auf die Handlung.) Dann tauchen die obligaten Monster auf, um den bis dahin Überlebenden ein wenig einzuheizen, auch etwas Außerirdisches mischt mit. Alles in allem der Stoff, aus dem die Gruselfilme sind.
Als Film wäre das Buch sicher ein Thriller. Als Buch hat es jedoch etliche Schwächen. Abgesehen von der übertriebenen Wissenschaftlichkeit verhalten sich auch die Personen recht unlogisch - manchmal wie kleine Kinder. Offenkundige Tatsachen werden ignoriert, so daß man als Leser ihnen zurufen möchte, wie blöd sie sich doch anstellen. So etwas nervt mich bei Büchern.
Der Roman zeichnet sich neben einer dennoch spannenden Handlung durch einen weiteren Umstand aus, den man erwähnen sollte. Crichton versucht, mögliche Auswirkungen eines Kontaktes mit außerirdischen Lebensformen zu analysieren. Seine Protagonisten diskutieren auch darüber, was ein solcher Kontakt - wenn er überhaupt zustande kommt - bei den betroffenen Menschen bewirken kann. Das Problem der Fremdartigkeit zweier Lebensformen wird recht anschaulich dargestellt. Es geht sogar soweit, daß am Ende die Interpretation von bestimmten Ereignissen durch die Menschen wieder in Frage gestellt wird.
"Die Gedanken des Bösen" enthält viele interessante Dinge, die zu lesen sich lohnt. Das Buch bekommt dadurch eine etwas eigenwillige Form, an die man sich erst gewöhnen muß. Aber gerade das hebt es von der Masse der SF-Titel ab.

["Sphere", 1987 von Michael Crichton, übersetzt von Alfred Hans 1988, 442 Seiten, DM 14.90] 

SX 43

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

David Gerrold: Inmitten der Unendlichkeit

Jack McDevitt: Die Küsten der Vergangenheit

Piers Anthonys Xanth