Michael Kurland: Eine Studie in Zauberei
Michael
Kurland: Eine Studie in Zauberei
(Bastei Lübbe 20178)
Randall Garrett ist tot, es lebe Lord Darcy! Nachdem der Schöpfer
des "ungewöhnlichsten Detektivs der Fantasy" 1987 verstarb, setzte
Michael Kurland die Tradition und das Werk fort und schrieb weitere Romane
um den Detektiv (z.B. "Zehn kleine Zauberer").
Vor langer Zeit las ich einmal einen Sammelband - vermutlich die ursprünglichen
Darcy-Geschichten. Er beeindruckte mich positiv, wenn ich mich recht erinnere.
Nun habe ich mir, um auch einen Beitrag zum Thema Kriminalistik in SF&F
liefern zu können, ein neues Buch zugelegt und durchgelesen.
Lord Darcy und sein Freund und Helfer Sean O Lochlain sind der Sherlock
Holmes und Doktor Watson in einer Alternativwelt, in der es Magie gibt.
Die beiden Hauptfiguren sind sehr eng an ihre Vorbilder angelehnt, bis
hin zu Äußerlichkeiten. Lord Darcy, der aristokratische, geniale
Kriminalist; und Master Sean, der hervorragende Gerichts-Magier. Manchen
mag diese Ähnlichkeit vielleicht stören, andere werden es als
Hommage an Conan Doyle betrachten.
Die Welt, in der die Helden leben, ist ein Gemisch aus fortgesetztem
Mittelalter und Gegenwart. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, löste
sich die Realität zur Zeit Richard Löwenherzens von der unseren,
als jener (?) die magischen Künste zu fördern begann. Jedenfalls
ist heute alles anders. Die Wissenschaft hat sich nicht so und viel langsamer
entwickelt. Dafür steht die Magie und ihre Anwendung in hoher Blüte.
Die Menschen sind aber die gleichen geblieben. Unter ihnen gibt es
auch Intriganten und Schurken, Verbrecher und Spione. Nur, daß ihnen
als Mittel ihrer Verbrechen auch die Magie zur Verfügung steht. Und
immer, wenn ein solches geschieht, wird Lord Darcy gerufen, dessen Spezialität
die Aufklärung von magischen Verbrechen ist, die sich meist auch noch
in politisch delikaten Situationen und in den höchsten Kreisen ereignen.
Für die einfachen Bürger ist Magie wohl zu schade. Da tut's auch
ein Dolch.
Eigentlich ist es doch verwunderlich, wie man noch ein Verbrechen aufklären
soll, wenn es aus der Ferne geschehen kann, sich ein Mörder in Luft
auflösen oder durch Wände gehen kann. Mit Magie im Spiele sollte
doch Logik und Deduktion fast unmöglich werden, das Element des Unberechenbaren
ist eingeführt. Aber Garrett und Kurland lassen sich davon nicht beirren.
Die Magie in ihrer Welt ist wissenschaftlich erforschbar, sie folgt genau
definierten Gesetzen. Und das menschliche Element ist ja auch noch da.
Verbrecher machen gelegentlich Fehler, so daß auch der Nicht-Magier
Darcy ihnen beikommen kann.
Diesmal geschah das Verbrechen - anscheinend ein grausiger Ritualmord
- in der Neuen Welt, in Amerika, wo das Reich der Atzteken und andere Indianerkulturen
existieren. Ein indianischer Prinz ist scheinbar nach alter - und von den
Europäern verbotener - Sitte geopfert worden. Die Tat überschattet
bevorstehende politische Ereignisse, man schickt Darcy, um Licht in das
Dunkel zu bringen.
Natürlich klärt er den Fall auf, der ganz und gar nicht das
ist, wofür man ihn am Anfang halten muß. Es ist wirklich ein
schönes Stück Verwirrung des Lesers, bis sich alles aufklärt.
Die Folgerungen des Lords liegen für den Leser keineswegs auf der
Hand, man ist von ihnen überrascht. So war es ja wohl auch bei Holmes.
Während man sich in manchem Kriminalroman denken kann, was und wie
geschah, ist das hier nicht möglich, bzw. alles, was man denkt, ist
doch falsch. Darum werde ich hier auch nicht auf die Handlung eingehen,
sondern diesen Buchtip kurz halten. Wer es nicht erwarten kann, wird sowieso
die letzten Seiten zuerst lesen. Selber schuld!
Das Sujet einer magischen Welt, in der ein überragender Detektiv
der Held ist, wurde inzwischen zumindest von Gary Gygax aufgegriffen, dessen
erste beiden Mythus-Bücher um den ægyptischen Magier Setne Inhetep
wir bereits im SOLAR-X besprachen. Randall Garrett war aber der erste,
und Michael Kurland muß man Dank sagen, daß er die interessante
Idee und Figur am Leben erhalten hat.
Die Geschichten um Lord Darcy sind von vielseitigem Interesse: für
Fantasy-Leser, für Alternative-Historie-Fans und für Krimi-Freaks.
Für alle ist in ihnen etwas zu finden.
[A Study in Sorcery, © Michael Kurland 1989, übersetzt von Ralph Tegtmeier 1992, 254 Seiten, DM 7.80]
SX 52
Kommentare
Kommentar veröffentlichen