Michael McCollum: Antares erlischt
Michael McCollum: Antares erlischt
(Heyne 06/5382)
Es muß das hellste Erlöschen aller Zeiten gewesen sein, geht
man nach dem deutschen Titel. Was wirklich passiert, ist der Supernovaausbruch
des Sternes Antares. Nur die germanischen Titelschmiede bringen es fertig,
aus "Antaresdämmerung" ein banales "Antares erlischt" zu machen -
ein Buchtitel, der wie einer aus den 50ern oder von einem Heftroman klingt.
Hat Perry schon auf Heyne abgefärbt? Es tut jedenfalls weh und dem
Buch unrecht.
Denn auch das zweite Buch der (tatsächlich nicht zusammenhängenden)
Michael McCollum-Reihe ist ein hervorragender hard core SF-Roman. Es hat
alles, was man von einem solchen erwartet: Weltraum und Raumschiffe, Kolonien
und fremde Rassen, wissenschaftliche Erklärungen und Raumschlachten.
Die Sache dreht sich darum, daß es der Menschheit gelang, durch
die Entdeckung einer sechsten Dimension die Galaxis zu erobern. Die Erklärung
dieser Dimensionen ist sehr überzeugend und kurz gefaßt. Bekanntlich
hat Einstein ja postuliert, daß der Raum, genauer gesagt, die vierdimensionale
Raum-Zeit, gekrümmt ist, was die Erscheinung der Schwerkraft hervorruft.
Verblüffend logisch erscheint die Annahme, daß es dann eine
fünfte Dimension geben müsse, in welcher die Raum-Zeit gekrümmt
ist. Im Buch nun hat man entdeckt, daß es noch eine sechste Dimension
gibt, in der die gekrümmte Raum-Zeit auch noch gefaltet ist. Und entlang
dieser Faltungslinien kann man sich blitzschnell von einem bestimmten Punkt
zum anderen bewegen. Die Menschheit benutzt diese Möglichkeit, um
eine Reihe von bewohnbaren Planeten zu kolonisieren.
Aber eines Tages ist plötzlich der einzige Sprungpunkt im System
Valeria verschwunden. Die - zum Glück längst autarke - Welt ist
vom Rest der Menschheit isoliert. Lange Zeit später bewahrheitet sich
die Vermutung der Wissenschaftler. Antares flammt am Himmel als Supernova
auf. Dadurch wurde der Raum verzerrt und die Linien verändert. Anderen
Welten erging es noch weitaus schlimmer. New Providence lag so dicht an
Antares, daß sie evakuiert werden mußte, glücklicherweise
gab es hier noch mehr Sprungpunkte.
Aber davon wissen die Bewohner von Alto im Valeria-System am Anfang
nichts. Sie können es nur vermuten. Als nach jahrhundertelanger Isolation
plötzlich ein Raumschiff geortet wird, weiß man, daß der
Sprungpunkt wieder da ist.
Doch die Freude ist verfrüht. Das Schiff erweist sich als das
tote Wrack eines riesigen Kriegsschiffes. Irgendwo da draußen tobt
Krieg. Und wer diesen Behemoth so zugerichtet hat, könnte ihm folgen...
Also schickt man eine Expedition aus, die "draußen" nachschauen soll,
was eigentlich los ist.
Wie erwartet, findet man New Providence verwüstet vor. Doch nicht
nur von der Nova, sondern auch von hunderten Atombomben! In den Archiven
entdecken die Forscher Hinweise auf eine plötzlich aufgetauchte, nichtmenschliche
Rasse, die Ryall. Sie reisen weiter nach Sandersons Welt, die sich ebenfalls
im Krieg mit den Ryall befindet.
Interessant ist, wie die Konfliktsituation begründet wird. Von
gefangenen Ryall hat man auch einiges über ihre Motivation erfahren.
In der Geschichte dieser Art gab es einen zehntausend Jahre währenden
Vernichtungskampf gegen eine weitere intelligente Rasse auf dem eigenen
Planeten, welche den Fortbestand der Ryall bedrohte. Diese Erfahrung hat
die fremden Wesen so sehr sozial geprägt, daß die einzige Reaktion
auf die Entdeckung einer konkurrierenden intelligenten Spezies nur deren
Ausrottung sein kann. Das ist durchaus überzeugend. Es ist möglich,
jede soziale Verhaltensweise des Menschen als Vergleich heranzuziehen,
die sich im Laufe seiner Entwicklung herausgebildet hat.
Der Konflikt wird nicht gelöst. Am Ende des Romans steht zwar
eine entscheidende Raumschlacht, aber diese ändert nichts an der Gesamtsituation.
Der Planet wird gerettet, aber die Ryall werden mit Sicherheit wiederkommen.
Im Ausblick wird von der Möglichkeit gesprochen, auf tollkühne
Weise zur Erde durchzubrechen, um Hilfe vom Rest der Menschheit zu erhalten.
Jedoch scheint dieser Rest seine eigenen Probleme zu haben, denn das anfangs
entdeckte Wrack stammte nicht von den bisher beteiligten Welten.
Der Stil McCollums ist recht leserfreundlich, flüssig und spannend.
Seine Helden sind nachvollziehbare Charaktere, deren Abenteuern man gern
folgt. Es gibt dabei auch einen gewissen Anteil an politischen Intrigen,
aber für meinen Geschmack zum Glück nicht überbetont. Alles
in allem, ein gutes Buch.
Antares Dawn, (c) by Michael McCollum 1986, übersetzt von Walter Brumm 1996, 380 Seiten, DM 16.90
SX 74
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