Michael McCollum: Die Lebenssonde
Michael McCollum: Die Lebenssonde
(Heyne 06/5381)
Irrtümlich hielt ich die drei zeitgleich bei Heyne erschienenen und
gleich aufgemachten Bücher von M. McCollum "Die Lebenssonde", "Antares
erlischt" und "Die Wolken des Saturn" für eine Trilogie. Nach der
Lektüre des ersten Bandes glaube ich aber, daß sie voneinander
unabhängig sind. Sollte ich mich täuschen, werde ich das bei
den Besprechungen der anderen Bücher revidieren.
Hier also zunächst zu dem 1983 erschienenen Roman "Die Lebenssonde".
Ein hard core SF-Buch; für alle, die das gerne einordnen wollen.
Eine uralte, sehr hochstehende Zivilisation, welche hier nur die Schöpfer
(Maker) genannt wird (in der Bedeutung von Schöpfer der Sonde), sucht
als Ausweg aus der drohenden Stagnation das Geheimnis des überlichtschnellen
Raumfluges. Da man glaubt, daß es ihn geben muß, aber selbst
nicht in der Lage ist, ihn zu finden, wird ein anderer Weg gewählt:
Tausende automatischer Raumschiffe, die Lebenssonden, werden auf die lange
Reise in alle Richtungen des Alls geschickt, um andere vernunftbegabte
Wesen zu finden und Wissen mit ihnen auszutauschen. Die Schöpfer erhoffen
sich davon u.a. auch den Kontakt mit einer Rasse, die den gesuchten Antrieb
besitzt, zumindest aber Impulse, die sie aus ihrer gedanklichen Sackgasse
herausführen könnten.
Solch eine Sonde nähert sich nun dem Sonnensystem. Schon in weiter
Entfernung beginnt sie die Radioemissionen aufzufangen und zu analysieren.
Als sie schließlich im nächsten Jahrhundert unserer Zeitrechnung
in die Nähe der Sonne gelangt, hat sie die Menschheit schon soweit
erforscht, daß sie Kontakt aufnehmen kann.
Teilweise ist die Geschichte vom Gesichtspunkt der Sonde selbst, d.h.
ihres intelligenten Computers, geschildert - was sehr interessant ist.
Sie zweifelt zunächst ernsthaft daran, daß ihr die Menschen
helfen können, aber sie hat keine andere Wahl, will sie auch nur zum
Prokyon weiterreisen, wo sie Anzeichen dafür erspäht hat, daß
man dort den Überlichtantrieb besitzt. Übrigens ein bemerkenswertes
Detail, das der Autor hier verwendet: Analog dem Überschallknall postuliert
er Effekte, die eine Verwendung des FTL-Antriebes sichtbar, oder mindestens
meßbar, machen würden.
Andererseits erlebt der Leser mit einer Reihe von Protagonisten, wie
die Menschen auf die Entdeckung der Sonde und den späteren direkten
Kontakt reagieren. Die politische Situation auf der Erde ist anders als
heute, aber sehr plausibel dargestellt. Und sie ist noch genauso brisant.
Natürlich gibt es auch Kräfte, die etwas dagegen haben, daß
die Menschheit die Sonde willkommen heißt und das in ihr gesammelte
Wissen erhält. Diese "Bösen" sind hier die Vertreter der panafrikanischen
Union, paranoid antiwestlich und anti-weiß eingestellt. Auf den ersten
Blick erscheint diese Zuordnung vielleicht etwas gewagt - man ist eigentlich
an Denkschemata gewöhnt, wo die Afrikaner die armen Unterdrückten
der Dritten Welt sind. Aber wenn man ein wenig darüber nachdenkt,
was in den letzten Jahren in Afrika an Schrecklichem geschehen ist, erscheint
das Bild der fanatischen "Stammeskrieger" an der Macht doch wieder überzeugend.
Jedenfalls mehr als es irgendwelche religiösen Spinner wären,
die bei solchen Gelegenheiten auch oft als Opposition herhalten müssen.
Es ist nämlich unglaubwürdig, ob in einer aus dem Heute extrapolierten,
ähnlich funktionierenden Gesellschaft abstruse religiöse Interessen
vor wirtschaftlichen Erwägungen letztlich den Vorrang bekämen.
Über weite Teile erzählt das Buch die Geschichte der Annäherung
der Sonde, einschließlich der Geheimhaltung auf der einen und der
Spionage auf der anderen Seite. Man nimmt schließlich Kontakt auf
und verhandelt mit der Sonde, immer noch mißtrauisch, um schließlich
fast zu einem Abkommen zu gelangen. Doch da zerstören die Panafrikaner
wieder alles...
Aber ich will nicht zuviel verraten. Es gibt doch noch ein positives
Ende, auch eine kleine Liebesgeschichte ist in die Handlung eingebettet.
Letztere ist durchaus flüssig erzählt und logisch aufgebaut.
Selbst wenn die beiden anderen Romane nichts mit ihr zu tun haben, wird
es sich wahrscheinlich lohnen, weitere SF von McCollum zu lesen. Er beschreibt
Raumfahrttechnik und wissenschaftliche Zusammenhänge geschickt und
ohne den Leser mit Überflüssigem zu ermüden. Man merkt,
daß er weiß, wovon er spricht, kommt er doch aus der Luft-
und Raumfahrt. Einen Dank an den Verlag, der eine kurze Biographie des
Autors anfügte. Das sollte besonders bei neuen Namen zum Standard
werden - wie es im englischsprachigen Raum längst üblich ist.
Life Probe, (c) by Michael McCollum 1983, übersetzt von Walter Brumm 1996, 395 Seiten, DM 14.90
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