Michael Reaves & Steve Perry: Dome
Michael
Reaves & Steve Perry: Dome
(VGSF 1988)
Michael Reaves scheint ein Autor zu sein, der mit Vorliebe auf Teamwork
setzt. Daß er Fantasy schreiben kann, weiß man spätestens
seit "Zerschmetterte Welt" oder "Drachenland". Doch Reaves ist sehr wohl
auch in der Lage, einen spannenden High-Tec, Hard-Core Science Fiction
Roman vorzulegen, wie man an "Dome" sehen kann. Leider entzieht es sich
meiner Kenntnis, ob das Buch bereits deutsch vorliegt, oder von einem der
einschlägigen Verlage geplant ist, dennoch möchte ich es, für
den Fall, daß es auftaucht, sehr empfehlen.
Zusammen mit Steve Perry, von dem ich noch nichts gehört hatte,
wandte sich Reaves nach den phantasievoll erdachten Welten der Fantasy
einem Unterwasserabenteuer zu, das Greag Bear gar nicht zu Unrecht einen
"Hochgeschwindigkeits High-Tec Thriller" nennt, der mit Ideen vollgepackt
ist.
Außer der normalen - will man fast sagen - Unterwasserhandlung
haben die Autoren auch breite Elemente des Cyberspace integriert. Oh, nicht
schon wieder, werden jetzt einige denken, aber das ist kein mit modischem
Cyberpunk aufgepeppter Das-Boot-Roman. Überhaupt ist zu beobachten,
daß, nachdem die Modewelle in ihrem Ursprungsland abgeebbt ist, der
Cyberspace jetzt seine Neuartigkeit und Eigenständigkeit verliert
und in die allgemeine SF als neues Element oder Stilmittel eingebaut wird.
Als die Raumfahrtliteratur neu war, gab es eine Zeit lang ja auch nur ausschließliche
space-SF heute ist das Raumschiff nur noch ein Transportmittel für
den Autor. Aber zurück zum Buch.
Dome, das ist die mobile Unterwasserstadt Mea Lana. In ihr leben teils
Wissenschaftler, teils Arbeiter für die Tiefseeschürfprozesse,
welche die Aufgabe der Stadt sind. Herausragende Individuen sind Copeland,
der führende Wissenschaftler, Patricia Ishida, die sich mittels integrierter
Biochips (oder jedenfalls etwas derartigem) mit allen Computerintelligenzen
der AI - Klasse koppeln kann, Jonathan Crane, der erste Fischmensch, und
noch etliche andere wichtige Personen.
Es geht los damit, daß die Vietnamesen eine Atombombe testen
und damit einen Unterwasservulkan zur Explosion bringen, was eine Flutwelle
hervorruft. Im Chaos, das darauf folgt, putscht jemand in irgendeinem Nachbarland
der Vietnamesen und es bricht ein kleiner Krieg aus. Dumm ist nur, daß
keine der Supermächte damit gerechnet hat, daß eine der beiden
Seiten eine alte biologische Waffe einsetzt. Der totale Weltkrieg bricht
aus, als klar wird, daß die Viren inzwischen mutiert sind und kein
Gegenmittel mehr existiert. Kurz, es dauert nicht lange, da sind die Bewohner
von Mea Lana fast die einzigen Menschen auf der Erde. Es ist gerade in
der Gegenwart recht beklemmend, dieses Szenarium zu lesen. Drohte nicht
auch der Irak mit Höllenfeuer? Aber lassen wir das jetzt mal beiseite.
Im Buch geht der Untergang nicht so schnell vonstatten, er fängt
eher langsam an. In der Zwischenzeit werden die Hauptpersonen eingeführt,
dem Leser vertraut gemacht und ihre Beziehungen untereinander geklärt.
Jedenfalls für die Ausgangssituation, denn sie entwickeln sich natürlich,
wie es sich für ein gutes Buch gehört. Viele verfallen nach dem
Untergang der Menschheit erst mal Depressionen, ja, es gibt auch Selbstmorde.
Pat Ishida muß miterleben, wie der Reihe nach alle mit ihr verbundenen
künstlichen Intelligenzen "sterben", weil keiner mehr da ist, der
sie wartet. Das nimmt sie mehr mit als der Tod der Menschen, aber es wird
irgendwie verständlich dargestellt, denn sie ist mit ihnen wirklich
aufs engste verbunden, und "es stirbt immer ein Teil von ihr", wenn einer
zugrunde geht. Darüber hinaus lehnen sie ihre Mitmenschen aufgrund
ihrer Herkunft und ihrer Fähigkeit ab. Nur ein AI bleibt übrig,
an Bord von Mea Lana. (Später stellt sich heraus, daß er nun
über sie alle anderen aufgesogen hat...)
Nun muß also die einige hundert Menschen zählende Besatzung
das Überleben der Menschheit sichern. Was sollen sie auch sonst tun?
Ich möchte aber wirklich nie erfahren, ob das in der Realität
auch das Ziel einer solchen Gruppe wäre. Na gut, es ist ein Buch.
Die Administratoren der U-Stadt rufen sofort Einschränkungen und Regeln
aus, die aber nur dazu dienen sollen, ihre persönliche Macht zu sichern.
Es müssen erst der Oberbürokrat und dann die ihm folgende Polizeichefin
von der Macht verdrängt werden, bevor es aufwärts geht. Die sehr
spannende Handlung dazu will ich lieber nicht beschreiben, wer würde
das Buch dann noch lesen wollen? Eingebettet in diese Haupthandlung sind
verschiedene andere Stränge, wie eine Liebesgeschichte, die Entwicklung
des Fischmannes, der schließlich die Stadt verläßt, um
im Ozean zu leben, und die Beziehung von Pat Ishida zu Baby, dem Computer.
Der letzte Strang ist der wichtigste, weil Baby letztlich die Stadt rettet
und auch noch der Frau zu einer Art Überbewußtsein verhilft.
(Sie wird dadurch auch menschlicher und kommt mit Copeland zusammen.)
Am Schluß gibt es zwar noch einige Opfer, doch die Stadt bekommt
ihre zum Überleben nötige Energie, sinnigerweise von einer übriggebliebenen
vietnamesischen Kraftstation.
Das Buch ist tatsächlich ein echter Technothriller, die Apokalypse,
die ein Wyndham vermutlich genüßlich ausgemalt hätte, findet
quasi im Hintergrund statt. Wichtiger war den Autoren die Reaktion der
Überlebenden. Es tritt sogar ein Überlebenden-Syndrom auf, eine
psychische Instabilität. Dies ist alles recht glaubhaft geschildert.
Die Figuren sind gut charakterisiert, obwohl der am häufigsten handelnde
Copeland manchmal etwas hölzern wirkt. Doch das kann Absicht sein.
Am sympathischsten ist mir Retalimba gewesen, ein einfacher Metallarbeiter
und Bodybuilder, dessen engstirnige Fixiertheit auf seinen Sport echter
Verantwortlichkeit weicht.
Also kann ich am Ende nur noch einmal wiederholen: ein empfehlenswertes
Buch.
SX 13
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