Orson Scott Card: Children of the Mind
Orson Scott Card: Children of the Mind
Der Abschluß der Ender-Saga
(Tor 1996, 349 Seiten, Hardcover, $ 23,95)
Card hat endlich sein Versprechen eingelöst
und den Schluß des Ender-Zyklus geliefert. Eigentlich den Schluß
von "Xenozid", denn ursprünglich sollte dieses Buch mit dem vorliegenden
eins bilden.
Die vier Bücher erzählen die Geschichte
von Andrew "Ender" Wiggin, der im ersten Band, "Ender's Game", als Fünfjähriger
zur Armee eingezogen wird, um gegen eine Rasse von insektoiden Aliens,
die "Bugger", zu kämpfen. Ender gehört zu drei hochbegabten Geschwistern,
die allerdings kein Produkt von Genmanipulation sind, wie oft fälschlich
behauptet wird. Nachdem der ältere Bruder Peter und die Schwester
Valentine trotz ihrer Brillanz ungeeignet waren, scheint Ender der zu sein,
der die Menschheit vor den Buggern retten könnte. Er wird zum Kämpfer,
zum Anführer und Kommandeur ausgebildet und vernichtet schließlich
mit der Superwaffe MD Device (Kleiner Doktor) den Heimatplaneten der Aliens
- und alle Aliens! Dabei hatte er gedacht, an einer Simulation teilzunehmen.
Währenddessen haben Valentine und vor allem
Peter daran gearbeitet, die Weltherrschaft zu übernehmen, was dem
skrupellosen Peter auch gelingt.
Im zweiten Band ist Ender schon erwachsen und
der "Sprecher für die Toten". Von seiner Schuld, der Auslöschung
einer ganzen Rasse, die sich inzwischen auch noch als friedliebend und
harmlos erwiesen hat, zutiefst bedrückt, wandert er mit Valentine
in die neuen Kolonien auf den leeren Bugger-Planeten aus. Dort findet er
den Kokon der letzten Hive Queen und schreibt zwei Bücher, die später
zum Allgemeingut der ganzen Menschheit werden, eines über die schändliche
Auslöschung der Bugger und eines über seinen Bruder, den Hegemon
der Erde - der wegen der Relativität inzwischen starb.
Auf dem Planeten Lusitania hat man die zweite
fremde Rasse entdeckt, die rätselhaften Piggies. Vorsichtig werden
sie erforscht, aber es geschehen dennoch folgenschwere Irrtümer. Der
Tod verschiedener Personen führt dazu, daß man Ender als Sprecher
für die Toten nach Lusitania ruft. Aber als er nach Jahrzehnten ankommt,
überschlagen sich die Ereignisse. Es wird entdeckt, daß ein
quasiintelligenter Virus auf dem Planeten die Biosphäre anderer Welten
sofort vernichten würde. Und man mischt sich in wohlmeinender Weise
massiv in die Entwicklung der Piggies ein. Das bringt den Starways Kongreß
dazu, eine Kriegsflotte mit der MD Device loszuschicken, um den Planeten
kurzerhand auszulöschen. Die Reaktion ist derart grotesk und übertrieben,
daß sie schon wieder plausibel ist.
Das dritte Buch, "Xenozid", handelt auf Lusitania
und Path. In der chinesischen Kultur des letzteren Planeten gibt es etliche
geniale Menschen, die leider von einer speziellen Krankheit geplagt sind,
was sie aber nicht wissen - sie glauben, die Götter sprechen zu ihnen.
Hauptsächlich geht es aber darum, wie man unter Enders Führung
auf Lusitania versucht, die vielen Probleme zu lösen, die sich vor
den wenigen Wissenschaftlern auftürmen. Das Virus muß bekämpft
werden, da es die Menschen bedroht, aber man darf es nicht völlig
vernichten, denn es ist lebensnotwendig für die Piggies und alles
andere auf dem Planeten. Die Computerintelligenz Jane, die Ender sein Leben
lang begleitete, ist von den Schlauköpfen auf Path entdeckt worden
und soll vernichtet werden. Und die Flotte nähert sich noch immer.
"Xenozid" wurde als der schwächste Teil
der bisher vorliegenden Bücher bezeichnet, vielleicht weil er eben
unvollständig geblieben ist. Um so gespannter durfte man auf die Fortsetzung
sein.
Am Ende des Vorgängers entdecken Ender und
seine Freunde eine Möglichkeit des überlichtschnellen Reisens.
Während des Testfluges erschafft Ender ungewollt zwei Personen aus
dem Nichts: Peter und Valentine im Teenageralter. Um diese Kinder seines
Geistes geht es hauptsächlich in dem letzten Teil.
Die ersten 40 Seiten enttäuschten und verwunderten
mich zuerst. Lange theologische Gespräche, viel unnützes Gerede
über Gott und Glauben. Und Ender, der sein Leben lang so verantwortlich
war, geht zu seiner völlig verrückten Frau Novinha ins Kloster!
Nicht nur daß Novinha für mich eine der unsympathischsten Gestalten
der Bücher war, diese Aktion Enders paßt überhaupt nicht
zu seinem Charakter. Später wird jedoch erklärt, was mit ihm
los ist. Das kann allerdings nicht dafür entschädigen, daß
dieses Buch nicht mehr von Ender handelt. Für eine Weile ist er zwar
noch da, aber er macht nichts mehr. Die Hauptpersonen sind wohl die Chinesin
(von Path) Wang-mu, Peter und Miro, so eine Art jüngere Generation
also. Ja, und Jane. Sie ist immer noch von der Auslöschung bedroht.
In trauter Zusammenarbeit unternehmen Jane, die
Menschen, Piggies und Bugger alles, um so viele wie möglich auf andere
Planeten zu evakuieren, nachdem man endlich herausgefunden hat, wie man
das Virus neutralisieren kann. Nur unter den Menschen, und da in der Familie
Novinhas, in die Ender einheiratete, kriselt es immer. Manchmal ist es
sehr anstrengend, das zu lesen, da es zwar sehr dramatisch und tragisch
ist, aber auch ziemlich irrelevant. (Können so intelligente Leute
so bekloppt sein?)
Es wird noch recht spannend, als es darum geht,
Jane zu retten. Card hat ein paar überraschende Wendungen parat, die
sich aber leider meistens auf seine komplizierte und sich immer weiter
ausweitende Theorie der "philotischen Verbindungen" beschränken. Und
ob sich jeder Leser durch diese pseudowissenschaftlichen Dialoge kämpfen
möchte?
Abgesehen von den Philoten hat Card aber auch
tiefgründige Gedanken über naheliegendere Dinge mitzuteilen.
Er begibt sich diesmal übrigens in japanische und samoaische Kulturkreise,
um die noch offenen Probleme einer Lösung zuzuführen. Vielerlei
fernöstliche Weisheit enthält dieses Buch nun.
Ist es aber ein gutes Buch geworden?
Ich weiß nicht so recht. Im Vergleich zu
"Ender's Game" fallen alle anderen Romane schwach aus, die diese
packende Geschichte fortsetzten. Für sich genommen, sind es aber dennoch
Bücher mit einer Botschaft, einem tiefen Sinn und mit vielen erstaunlichen
Ideen. Das letzte Buch in der Reihe macht da keine Ausnahme. Vor allem
bei den Ideen hat sich Card noch einmal richtig angestrengt, wenn sie auch
zum Teil eine Spur zu wissenschaftlich und zum Teil eine Spur zu mystisch
sind. Für meinen Geschmack spielte die Religion eine unangemessen
große Rolle. In was für einem dunklen Zeitalter lebt man denn
da dreitausend Jahre nach dem Xenozid Enders? Fast jeder glaubt so fest
und sicher an irgendeinen Gott, daß man sich ans Mittelalter erinnert
fühlt. Man sollte doch meinen, daß die Menschheit in so langer
Zeit diese Albernheiten überwunden hätte.
"Children of the Mind" hat nicht gerade viele
Action-Szenen. Der überwiegende Teil der Handlung spielt sich in Gesprächen
ab. Man muß das Buch schon aufmerksam lesen, um etwas davon zu haben.
Aber lesen sollte man es schon.
SX 84
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