P. N. Elrod: I, Strahd - The Memoirs of a Vampire

P. N. Elrod: I, Strahd - The Memoirs of a Vampire
(TSR Books 1993, hardcover, 309 Seiten, £ 10.50)


Wie in meinem Überblick zu Ravenloft versprochen, habe ich nun das Prunkstück der Serie gelesen, den ersten als Hardcover mit Schutzumschlag erschienenen Roman "Ich, Strahd - Die Memoiren eines Vampirs".
Teuer genug war das Buch ja, aber was tut man nicht alles als Fan... Es ist jedenfalls sehr gediegen aufgemacht, mit einem blutroten (was sonst?) Schutzumschlag mit Goldschrift, ganzseitigen Illustrationen von Stephen Fabian und natürlich recht großer Schrift. Der Roman der Texanerin P. N. Elrod (die Vornamen werden nicht genannt) stellt ganz offensichtlich ein Highlight des locker zusammenhängenden Zyklus' dar.
Auch inhaltlich ist das der Fall, denn das Buch erklärt einem Leser, der nur die Ravenloft.-Romane kennt und nicht den Spielehintergrund, erstmalig eine ganze Menge über die Entstehung dieser mysteriösen Domäne.
Zwar hängt die Handlung der einzelnen Bände nicht miteinander zusammen, aber die Figur des Counts Strahd von Zarovich stellt doch eine mehrfach auftauchende zentrale Gestalt dar. Jetzt wird endlich geklärt, daß das noch mehr der Fall ist, als zuvor anzunehmen war.
Eine Rahmenhandlung führt den Leser ein. Dr. Rudolph Van Richten, eine Art Van Helsing dieser Welt, dringt in Schloß Ravenloft ein, wo Strahd anscheinend seit fünfzehn Jahren im Tiefschlaf ruht. Van Richten will ihn nicht etwa auf Vampirjägerart umbringen, sondern sucht vorerst nur Informationen. Die findet er, nämlich das Tagebuch des Vampirlords selbst. Während er es liest, entspinnt sich für den Leser die Geschichte Strahds, in der Ich-Form erzählt. Am Ende verläßt Van Richten das Schloß wieder, um später einmal mit Verstärkung wieder zu kommen.
Strahd berichtet von dem Zeitpunkt an, da er als Heerführer das Land Barovia im Krieg besiegte und eroberte. Er nahm das Schloß in den Bergen in Besitz und begann mit eiserner Faust das Land zu regieren. Ein altes Ritual verbindet ihn seitdem eng mit dem Land, er ist das Land.
Sein jüngerer Bruder Sergei kommt alsbald auch ins Schloß, um dort zu leben. Strahd beneidet ihn um seine Jugend, er glaubt, er habe sein Leben in Dienst und Pflicht geopfert. Als Sergei sich in das Mädchen Tatyana verliebt und sie auf das Schloß bringt, eskaliert dieser innere Konflikt, denn auch der viel ältere Strahd verfällt ihr hoffnungslos.
Schließlich, als er über magischen Büchern grübelt, um einen Weg zu finden, Tatyana für sich zu gewinnen, taucht eine finstere Macht auf, die sein Haß angelockt hat. Er geht einen Handel mit der Finsternis ein, den er im ersten Augenblick gar nicht durchschaut, anscheinend dachte er eher an eine Art Liebestrank. Aber im nächsten Moment beschleunigen sich die Dinge abrupt. Sein Vertrauter ist Zeuge des Ganzen geworden, und Strahd stürzt sich jähzornig auf ihn. Im Kampf werden beide tödlich verletzt, aber die finstere Macht überredet Strahd, den Schritt zu tun, der den Handel gültig macht: das Blut seines Opfers zu trinken.
Kurz darauf tötet er auch Sergei unmittelbar vor der geplanten Hochzeit und trinkt dessen Blut. Er sieht sein Spiegelbild verschwinden und begreift, daß er das Kleingedruckte hätte lesen sollen. Aber es ist zu spät.
Zwar scheint es, als könne er die verzweifelte Tatyana für sich gewinnen, aber etwas Unvorhergesehenes stört ihn. Ein verräterischer Boyar putscht und massakriert die Hochzeitsgäste. Tatyana springt in einen Abgrund und verschwindet.
Dann erwacht der eigentlich schon tote Strahd... Und er wütet schrecklich unter seinen Feinden. Aber hinfort ist und bleibt er ein Vampir, vom Blutdurst geplagt und von Sehnsucht nach seiner verlorenen Liebe verfolgt.
Das Buch schildert nur die ersten Jahrzehnte seines Vampirdaseins ausführlich, solange noch Zeugen jener blutigen Nacht leben. Strahd bleibt seinen ehemaligen Freunden gegenüber loyal, seine Feinde verfolgt er noch viele Jahre später mit enormen Aufwand und Risiko - sogar in ein Kloster dringt er ein, um den dorthin geflohenen Verräter zu fangen. Die Strafe, die er ihm auferlegt, ist wirklich furchtbar.
Die Schwarze Magie, die den Count veränderte, hat aber auch das Land verändert, denn durch das Ritual ist er das Land. Eine Grenze von undurchdringlichem Nebel umgibt Barovia seit jener Nacht, niemand kann es verlassen, auch er nicht. Die Dunkelheit, die Strahd heraufbeschwor, machte ihn und Schloß Ravenloft zum Herzen oder zur Keimzelle dieser Welt. Später, so berichtet der Vampir auf den letzten Seiten seines Tagebuches, öffneten sich die Nebel und enthüllten andere, ähnliche Domänen, die ebenfalls von entsprechenden Lords regiert werden. Das Reich des Bösen wächst also.
Warum es existiert, und was diese finstere Macht darstellt, die Strahd verführte, bleibt jedoch im Dunkeln.
Strahd ist kein Opfer, er war ein harter und grausamer Mensch, schon bevor er ein Vampir wurde. Er nährte seinen Neid und Haß gegen seinen Bruder und suchte bewußt nach einem magischen Weg, um ihm die Frau wegzunehmen. Außerdem tötete er seinen besten Freund, als dieser ihn vor dem Komplott des Boyaren warnen wollte, aus paranoider Angst.
Aber andererseits ist er auch nicht das pure Böse, das wäre sicher langweilig. Er fühlt schon eine gewisse Verpflichtung seinem Land und seinen Untertanen gegenüber, er liebt Tatyana auf seine Weise tatsächlich. Auch als er Vampir ist, gibt er Beispiele dafür, daß er hart, aber gerecht ist. Man kann ihn nicht pauschal verurteilen, wenn er auch durch irgendeine "höhere" Macht deutlich bestraft wird, indem er seine Tatyana immer wiederfinden muß, um sie nur erneut zu verlieren.
Der Roman macht ihn als Charakter nur noch wesentlich interessanter. Er weckt die Hoffnung, daß noch mehr über Strahds Schicksal geschrieben werden wird. Und daß diese Hoffnung erfüllt werden wird, daran dürfte kaum Zweifel bestehen. 

SX 51

 

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