Paul J. McAuley: Die Herren der Erde
Paul J. McAuley: Die Herren der Erde
(Heyne 06/5462)
Mit diesem Buch liegt dem deutschen Leser nun erstmals auch ein Erzählungsband
des englischen Autors vor. Er bietet ein recht breites Spektrum an Stories,
von denen nur einige offensichtlich um Universum des "Alien-Zyklus" angesiedelt
sind. Diese allerdings bieten dann auch den schönen Wiedererkennungseffekt,
wenn plötzlich bekannte Personen und Orte auftauchen oder auf bestimmte
Ereignisse Bezug genommen wird. Es sind keine besonderen Schlüsselerzählungen,
die etwa den Zyklus erklären oder in einem anderen Licht erscheinen
lassen. Sie fügen ihm nur ein paar Puzzlestückchen hinzu, lassen
ihn vollständiger erscheinen.
Ungeachtet der Verschiedenheit der Themen haben die Geschichten aber
eine Art Grundstimmung gemeinsam. Und diese ist melancholisch bis hoffnungslos.
Jedenfalls ist das mein Eindruck nach dem Lesen.
Im Original hieß die Sammlung nach der ersten Story, "Der König
des Hügels". Sie handelt in einem England, das von faschistoiden Amerikanern
besetzt wurde, nachdem man dort offenbar versuchte, einen sozialistischen
Weg einzuschlagen. Ein alter Musiker, Sir James, erzählt von seinem
Neffen. Dieser erliegt der seltsamen Faszination eines alten Burghügels,
auf dem einst Camelot gestanden haben soll. Schließlich stellt sich
heraus, daß die Legende vom König (Artus) unter dem Berge in
einer Art wirklich wahr ist. In der größten Not für Britannien
ersteht er in dem Jungen auf und wird zum Führer der Rebellen gegen
die Besatzer.
In der nächsten Story, "Karl und das Urwesen" (Karl and the Ogre),
gibt es die menschliche Zivilisation nicht mehr. Drei Jäger wurden
von einer seltsamen dörflichen Gemeinde angeheuert, um ein "Urwesen"
zur Strecke zu bringen. Das stellt sich als eine alte Frau aus der Zeit
vor der Veränderung heraus, die Karl noch erzählt, was damals
passierte, bevor man sie tötet. Das ist ziemlich seltsam und abstoßend,
aber eine ungewöhnliche Idee. "Transzendenz" erinnerte mich sehr an
Steinmüllers "Der letzte Tag auf der Venus". Auch hier jemand, der
einen Roboter auf der Venusoberfläche fernsteuert und von ihm weggeholt
wird.
In "König auf Zeit" findet man die ersten Anklänge des "Alien-Zyklus",
obwohl die Geschichte auf den ersten Blick auch auf einer in die Vorzeit
zurückgefallenen Erde zu handeln scheint. Aber der Fremde, der in
dem Dorf auftaucht, kommt aus dem Weltraum... Diese Tendenz setzt "Exilanten"
fort, die das Schicksal von drei Raumfahrern schildert. Hier taucht der
Begriff "Freespacer" zum ersten Mal auf. Diese Story überzeugte mich
allerdings nicht. Zu verworren, ohne richtig spannende Handlung.
Dafür ist "Klein-Ilia, Spider und Box" wieder sehr gut. Hier klingen
die eigenartigen Handlungsweisen und Grausamkeiten der sogenannten Goldenen
- der Herren der Erde - schon an, das Mittel, welches das Altern stoppt,
wird eingeführt. Ein kleines Mädchen flieht vor seiner Mutter,
die es künstlich im Zustand eines Kindes verharren läßt
und ihm regelmäßig das Gedächtnis löscht, weil sie
keine Veränderungen mag. In der Story "Die Herren der Erde" (The Airs
of Earth) wird die Flucht des Kindes noch einmal erwähnt. Diese Geschichte
beschreibt anhand der Erlebnisse eines Harfenspielers die Dekadenz der
Goldenen besonders deutlich. Ich glaube allerdings, daß die Rolle
der Goldenen im Zyklus von den Klappentextautoren meist überbewertet
wird. Sie sind nur ein Bestandteil des irdischen Lebens, der bestimmte
Auswirkungen auf die jeweiligen Helden hat.
Schließlich begegnet man in der letzten Geschichte "Die Erben
der Erde" auch noch der blöden Sekte der ZEUGEN, die auch in den Romanen
als religiöse Fanatiker eine unangenehme Rolle spielten und mich für
meinen Teil eher störten. Die Erde ist zu dieser Zeit fast verlassen,
abgewrackt und verbraucht, jedoch nicht in so vordergründig den Zeigefinger
hebender Weise wie durch Umweltverschmutzung. Die Menschen sind halt weg,
die Städte zerstört, und nur noch wenige fristen in den Ruinen
ihr Dasein, gesetzlos, barbarisch oder als Fanatiker der ZEUGEN.
Eine ziemlich finstere Zukunft also, die McAuley in seinem Universum
malt. Die Menschen sind größtenteils unmenschlich, roh und primitiv.
Oder einfach nur egoistisch. Man ahnt, daß in einem sehr langen Zeitraum,
den der Autor nicht direkt beschreibt, eine Ära der Expansion in den
Weltraum von Kriegen und gravierenden Veränderungen gefolgt wurde.
Die Religion spielte wie schon zuvor in der Menschheitsgeschichte eine
äußerst negative, regressive Rolle. Das Bild ist beängstigend,
weil man irgendwie auch an den islamischen Fundamentalismus von heute erinnert
wird. Er spielt übrigens in der Story "Exilanten" auf einer rein islamischen
Welt eine Rolle.
Im Ganzen nicht besonders schöne Stories, aber gute SF. Wer den
"Alien-Zyklus" gelesen hat, sollte diese Sammlung unbedingt hinzufügen.
The King of the Hill and other Stories, (c) by Paul J. McAuley 1991, übersetzt von Peter Pape 1995, 301 Seiten, DM 12.90
SX 76
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