Paul J. McAuley: Vierhundert Milliarden Sterne
(Heyne 06/5306)
Space Opera? Ich weiß immer noch nicht so recht, wo die nun anfängt
oder auch aufhört. Wahrscheinlich ist es keine. Aber es ist schön
traditionelle hard SF. Außerdem gut geschrieben und spannend. Das
kann ich schon mal nach dem ersten Band sagen.
In jener Zukunft, wo die Menschheit mit FTL-Schiffen begonnen hat,
einen Bruchteil der Sterne der Milchstraße zu erforschen - insgesamt
sind es etwa 400 Milliarden - begegnet sie da draußen einer Intelligenz,
die sofort das Feuer eröffnet, als man sich ihr nähert. Natürlich
entbrennt der Krieg, nachdem die Menschen ein paar Schiffe in der Gegend
eines bestimmten Asteroidengürtels verloren haben. Auf die Idee, daß
das verbissene Schießen der Aliens so etwas wie "Vertreter unerwünscht!"
bedeuten könnte, und sie einfach in Ruhe zu lassen, kommt man ebenso
natürlich nicht. So sind sie halt, unsere Menschen der Zukunft. Genauso
dämlich wie heute.
Man weiß weder, wie die Aliens, nur noch der FEIND genannt, aussehen,
noch weshalb sie so böse reagierten. Jetzt hat sowieso die Navy das
Sagen, und was verbohrte Generalstypen zu sagen haben, weiß man ja.
Auch so wie heute.
Dieser Teil ist weniger militaristische SF als eine bitterböse
Darstellung der Moral und Gedankenwelt der sogenannten typischen Militärs.
Ob es die tatsächlich gibt, sei dahingestellt, doch die Amerikaner
hatten in den letzten Jahrzehnten wohl genügend Gelegenheit, das am
praktischen Beispiel zu erfahren. Von menschenverachtenden Befehlen bis
hin zu paranoider Xenophobie wird im ersten Roman alles durchgespielt.
Auf einer kleinen, gottverlassenen Welt, die einen roten Zwerg umkreist,
entdeckt man eine gar seltsame Ökologie, die von allen möglichen
anderen Welten importiert zu sein scheint. Außerdem stellt sich heraus,
daß jemand die Welt vor einer Million Jahren wieder zum nichtgebundenen
Rotieren gebracht hat. Also vermutet man das Wirken des FEINDES. Doch
auf der öden Oberfläche treiben sich nur die halbintelligenten
"Hirten" herum, die schneckenartige Viecher durch die Gegend treiben. Der
degenerierte Rest einer FEIND-Zivilisation?
Dorthy Yoshida, eine telepathische Astronomin, soll das herausfinden.
Deshalb wird sie vom Militär kurzerhand eingezogen - um nicht zu sagen,
gekidnapt - und über dem Basislager auf dem Planeten abgeworfen.
Der ganze Widersinn dieses interstellaren Krieges wird vor allem daran
deutlich gemacht, daß man vermutet, der FEIND sei an den Seltsamkeiten
auf dem Planeten schuld, trotzdem aber nicht die Beine in die Hand nimmt,
um so schnell wie möglich zu fliehen. Denn eine Vernunft, die in der
Lage ist, einen Planeten "anzuschieben", die sich für die Formung
einer Welt mal eben eine Million Jahre Zeit nimmt, erscheint als jemand,
den man im galaktischen Maßstab nicht einmal schief anschauen sollte.
Diese Gedanken kann sich allerdings nur der Leser selbst machen, im
Buch werden sie so nicht ausgesprochen.
Der Roman erzählt hauptsächlich von Dorthys Erlebnissen auf
dem Planeten. Sie gerät in eine Notlage, in der sei sich mit einem
anderen Überlebenden 500 km weit zum Hauptstützpunkt durchschlagen
muß. Schrittweise beginnt sie die "Hirten" zu verstehen, erkennt
schließlich auch die Wahrheit und führt einen Kontakt herbei.
Verwandt sind sie tatsächlich mit dem FEIND, wenn auch nicht identisch.
Eine ganz andere Bedrohung wird aufgedeckt, die - nach dem Klappentext
zu urteilen - im dritten Band eine Rolle spielen wird.
Aber nicht nur die Abenteuer in der Wildnis sind wichtig für die
Handlung, sondern auch das geheimnistuerische Agieren der Militärs,
die scheinbar immer mit vorgefaßten Meinungen an die Sache herangehen.
Die Wissenschaftler auf dem Planeten sind offensichtlich nur dazu da, den
Generälen Fakten zu liefern, die man gegen den FEIND einsetzen kann.
Das einzige, was mir nicht gefiel, waren wieder einmal die Künste
des Übersetzers. Einmal abgesehen von Schnitzern bei der Übertragung
astronomischer Fachtermini zeigte er die störende Angewohnheit, wahllos
Begriffe nicht zu übersetzen, sondern einzudeutschen oder mit obskuren
Fremdwörtern wiederzugeben. Wieso muß man z.B. opaque mit dem
lateinischen opak und nicht mit undurchsichtig übersetzen?
Am Ende des Buches findet man die freundliche Anmerkung des Verlages,
daß der dritte und nicht der zweite Teil an die Handlung anschließt.
McAuley habe den zweiten Band, der im elben Universum spielt, nur dazwischengeschoben.
Das für diejenigen, die sich Zyklen lieber stückchenweise kaufen.
Four Hundred Billion Stars, (c) by Paul J. McAuley 1988, übersetzt von Peter Pape 1995, 380 Seiten, DM 14.90
SX 71
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