Paul Park: Coelestis
Paul Park: Coelestis
(Heyne 06/5400)
Es mag sein, daß Paul Park mit diesem Buch sehr lobenswerte Ambitionen
verfolgt, es mag auch sein, daß es sich stilistisch an dem messen
kann, was Leute, die niemals Science Fiction lesen, "Literatur" nennen
würden. Das ändert jedoch nichts daran, daß es ausgesprochen
schwer lesbar ist, konfus und voller logischer Windungen, die als Widersprüche
erscheinen. Für mich war es eine ziemliche Quälerei, diesen Roman
bis zum Ende zu lesen.
Die wahre Botschaft, die Paul Park verkündet, ist eine altbekannte:
Die Menschen sind ein Haufen widerlicher, stumpfsinniger und blöder
Kreaturen, die nichts anderes zu tun haben, als in ihrem bigotten Wahn
jedes Fremde und Andersartige auszulöschen oder nach ihrem eigenen,
verdorbenen Bilde umzuformen. Wem ein solches Buch Spaß bereitet,
der ist wohl ein wenig abartig veranlagt.
Mit der Erde sind die Menschen nun endgültig fertig, wie man indirekt
erfährt. Dort vegetieren wahrscheinlich nur noch ein paar Vergessene
in den verseuchten Einöden dahin. Der Rest ist zu den Sternen gegangen
und hat sich eifrig daran gemacht, auch die paar bewohnbaren Planeten,
die man im Umkreis von 1000 Lichtjahren fand, zu versauen. Auf dem Planeten,
wo das Buch handelt, lebten allerdings schon zwei vernunftbegabte Rassen.
Kein Problem für die Menschen. Die Rasse des homo coelestis, des Himmlischen
Menschen, ist zur Handlungszeit praktisch ausgerottet. Die anscheinend
von den als Dämonen verunglimpften Coelesti unter geistiger Kontrolle
gehaltenen anderen Wesen - die "Eingeborenen" genannt - wurden von den
Menschen unter Drogen gesetzt und werden nun hauptsächlich als Diener
gehalten. Absurderweise wirft man den Dämonen vor, die Eingeborenen
als Sklaven gehalten zu haben. Gewisse Einblicke, die der Leser gewinnt,
lassen erahnen, daß an dem Verhältnis mehr war, als nur dies.
Aber die Menschen im Roman verhalten sich eher wie dumpfe, sture Tiere,
denn wie intelligente Wesen. Ist es so, daß sie nicht sehen können,
was sie nicht sehen wollen? Oder meint Park, daß sie es nicht sehen
können, weil ihnen ein Großteil der Realität verschlossen
ist? Ich konnte diese Frage für mich nicht klären. Für die
Dämonen ist es ohnehin zu spät.
Die Menschen beeinflussen die Eingeborenen nicht nur durch Medikamente,
sondern verändern sie auch chirurgisch so, daß sie in ihren
Augen wie Menschen aussehen. Vermutlich, damit ihr Anblick sie nicht beleidigt.
Ein Mann namens Simon, der vor ein paar Jahren erst von der Erde ankam,
gerät bei einer Art Party in einen Aufstand einer Gruppe von Eingeborenen,
die ihn und eine andere Eingeborene entführen, um ihren Führer
freizupressen. Die Lage eskaliert, es wird viel sinnlose Gewalt und Blutvergießen
beschrieben, bis Simon und Katherine sich auf der obligaten Flucht befinden.
Ein letzter Dämon mischt sich auch noch ein, aber das führt auf
keiner Seite zu Verständnis - am wenigsten beim Leser. Die von mehreren
Erzählpositionen aus geschilderte Handlung springt außerdem
unmotiviert vor und zurück, Dialoge werden von verschiedenen Seiten
mehrfach wiedergegeben, aber völlig anders! Wie gesagt, es liest sich
nicht gut.
Die verschiedenartige Aufnahme bestimmter Ereignisse durch die unterschiedlichen
Personen ist dabei noch ganz interessant. Aber die Erzählstruktur
ist so verworren, daß man nicht mehr weiß, was real ist oder
Traum, und was die Leute überhaupt antreibt. Die Motive der Personen
blieben mir bis zum Ende völlig rätselhaft.
Alles, was der Autor hier auszudrücken vermag, ist eine verbitterte
Hoffnungslosigkeit, sein Zorn auf die Menschen, die alles verderben, was
sie auch anfassen. Sogar die scheinbare Liebe des Mannes Simon zu der Eingeborenen
ist ziemlich widerlich und nicht etwa im Rahmen des üblichen Klischees
zu verstehen. Und die ausführlichen, detailreichen Beschreibungen
von Sex passen eher in ein pornographisches als ein SF-Buch.
Der Verlag wirbt für diese und andere Hardcover-Taschenbuch-Ausgaben
damit, daß man sie gut verschenken, auf eine Reise mitnehmen oder
sammeln kann. Wenn ich mir die Aufzählung der Titel ansehe und das
vorliegende Buch dazu, kann ich dem zustimmen.
Nur zum Lesen taugen sie nicht.
Coelestis, (c) by Paul Park 1993, übersetzt von Erik Simon 1996, Hardcover-TB, 315 Seiten, DM 14.90
SX 76
Kommentare
Kommentar veröffentlichen