Piers Anthony: And Eternity

Nachgereicht
Piers Anthony: And Eternity
7. und abschließender Band der Inkarnationen der Unsterblichkeit
(Grafton Books 1990)


Nachgereicht ist nicht so sehr das neue Buch von Piers Anthony, sondern von mir wird diese Rezension zu meinem Artikel in SOLAR-X 25 nachträglich geliefert. Erst jetzt konnte ich den abschließenden Band des Zyklus' auftreiben, den ich in der Rezension schon als geplant erwähnte. Übrigens habe ich mich damals verschrieben, "For the Love of Evil" ist natürlich der sechste Teil und nicht der siebente. Geplant waren aber tatsächlich zunächst nur fünf.
Nachdem der Autor in sechs Büchern seine Welt hat entstehen lassen, um sie immer wieder zu bedrohen und doch noch zu retten, folgt nun der große und letzte Showdown. Freilich wird die Welt weiterbestehen, es wäre sehr verwunderlich gewesen, hätte es keinen solchen positiven Schluß gegeben. In den sechs vorausgehenden Büchern beschreibt der Autor die Erfahrungen der Inkarnationen des Todes, der Zeit, des Schicksals, des Krieges, der Natur und des Bösen. Es wird eine erdartige Welt vorgestellt, in der fast alles so ist wie in unserer, nur daß die Magie gleichberechtigt neben der Wissenschaft im Alltag benutzt wird. Politisch und sozial ist alles andere sehr ähnlich. Nicht immer den Menschen bewußt, wird das Geschick dieser Erde von den Unsterblichen gelenkt, oder vielmehr von sterblichen Menschen, die das Amt eines Unsterblichen übernehmen. Die Inkarnationen also. Außerdem stellt Anthony ausführlich die Beziehungen der Inkarnationen untereinander und zu bestimmten Menschen dar. Eine wichtige Person, die sich durch die Handlung aller Bände zieht, ist Luna Kaftan, jetzt Senatorin und Trägerin eines entscheidenden Votums in der nächsten Zukunft. Sie ist irgendwie mit allen Inkarnationen verwandt oder enger bekannt, z.B. ist der Tod ihr Geliebter.
Die Verwandtschaftsbeziehungen sind mittlerweile eher kompliziert geworden. Orlene, eine der Hauptgestalten dieses Werkes, ist die Tochter von Orb, welche jetzt Gaea - die Natur - ist, und die Enkelin der Inkarnation des Schicksals. Gleichzeitig ist sie die Stieftochter Satans, denn der heiratete ja Orb. Außerdem ist sie tot.
Ja, aber das macht bei Piers Anthony eigentlich nichts, denn jetzt geht Orlenes Abenteuer erst richtig los, denn sie wird zum Geist. Zusammen mit Jolie, einem anderen Geist, der ersten Frau Parrys, der jetzt Satan ist (oh je!) macht sie sich auf die Suche nach der Seele ihres kurz zuvor verstorbenen Babys, wegen dem sie Selbstmord beging. Doch das ist inzwischen von Nox, der Inkarnation der Nacht und einzigen echten Unsterblichen, geholt worden. Nox schickt die beiden Geister-Frauen auf eine regelrechte Quest, hinter der sich freilich eine ganz andere Absicht verbirgt, wie man ahnen kann. Zum Glück für den Leser weiß Orlene auch nichts von ihren komplizierten Verwandtschaftsverhältnissen, so daß sie - und der Leser - langsam wieder ins Bild gesetzt werden muß.
Sie begeben sich in den Körper der fünfzehnjährigen, drogenabhängigen Prostituierten Vita, die sie nebenbei wieder auf den rechten Weg bringen sollen. Was sexuelle Dinge angeht, ist Anthony dabei ebenso achtlos gegenüber Tabus wie bei der Religion.
Ihre Quest beinhaltet, daß sie von jeder Inkarnation etwas bestimmtes bekommen müssen, um am Ende das Baby zu heilen (seine Seele ist irgendwie krank) und zurück zu erhalten. Das ist nicht so einfach, denn die Arbeit einer Inkarnation ist sehr verantwortungsvoll, und sie geben nicht leichtherzig etwas von ihrem Amt ab. Es scheint jedoch ganz gut zu gehen, obwohl jede Inkarnation darauf bedacht ist, Orlene erst einmal zu demonstrieren, was sie da eigentlich haben will. Insgeheim prüfen sie dabei, ob sie würdig ist, das entsprechende Ding zu bekommen. Statt einem anderen Baby die benötigte reine Seele zu nehmen, rettet sie es aus einer Mülltonne und erweist sich als würdig. Das Körnchen Sand aus dem Stundenglas von Chronos bekommt sie, nachdem sie abgelehnt hat, die Ereignisse, die zum Tod ihres Kindes führten, mittels einer Zeitreise aufzuhalten; dadurch würde die inzwischen gerettete Vita verloren sein.
Sie kann auch dem Schicksal, dem Krieg und der Natur zu Diensten sein und verdient sich einen Faden, den Samen des Krieges und eine Träne. Sogar Satan verspricht ihr den von ihm erforderlichen Fluch, als sie sich nicht in Versuchung führen läßt.
Und dann kommt, worauf das Buch zwangsläufig zusteuern mußte. Sie tritt vor Gott, um von der Inkarnation des Guten den Segen zu erlangen. Doch wie wir schon aus vorangegangenen Teilen des Zyklus' wissen, hat Gott kein Ohr für die Bitten der Sterblichen mehr. Er ist - wie auch Satan entdecken mußte - total indifferent gegenüber den Belangen der Menschen und Inkarnationen in Selbstbetrachtung versunken.
Es gelingt Orlene nicht, das von ihm benötigte Item zu bekommen, sie ist also gescheitert. Aber im Verlauf der Handlung ist die Suche der drei Frauen immer mehr von anderen Problemen überlagert worden. Was sie nicht wissen, ist, daß man Kandidaten für den Ersatz Gottes sucht. Einen scheinen sie zu kennen, den Richter Roque, in den mindestens Vita verliebt ist. Außerdem droht ein dritter Weltkrieg im Nahen Osten auszubrechen, der das Ende der Welt bedeuten würde. Überbevölkerung und alles damit verbundene kommt dazu. Auch ist die Definition von Gut und Böse dringend überholungsbedürftig, wie sich oft genug im Verlauf der Handlung zeigt.
Am Ende des Buches kommt es zu der großen politischen Abstimmung, bei der Luna Kaftan die entscheidende Stimme abgibt. Interessanterweise sind es nämlich die Menschen, die in einer Art Votum beschließen, daß die Inkarnation des Guten zu ersetzen ist. An den Inkarnationen liegt es nun, den Kandidaten zu wählen.
Es ist natürlich Orlene, die das Amt übernehmen wird. Aber bis zu der entscheidenden Szene, als Jolie für sie spricht, nachdem Satan sie vorgeschlagen hat, kann man das als Leser nicht hundertprozentig voraussehen. In diesem Sinne ist das Herangehen Anthonys diesmal wirklich anders und es macht das Buch zu einem echten Höhe- und Schlußpunkt in der Saga.
Unterlegt unter diese wirklich spannende Handlung ist eine Philosophie, die den Autor besonders auszeichnet. Es macht nichts, daß die Welt in eine Fantasy-Welt verfremdet ist. Schaut man genau hin, erkennt man ohne große Tarnung unsere eigene Welt. Ob Babylon und Persien oder Irak und Iran (oder Kuweit), das ist doch wohl egal. Piers Anthony stellt nicht unsere Realität in Frage, sondern unsere Moral. Mit diesem Wort kann man alles beschreiben, ob es nun das Verständnis von Gut und Böse, Sünde und Wohlverhalten ist, oder die Rolle der Religion(en), es sind Fragen, von denen man wünscht, daß sie mehr Menschen, vor allem in verantwortlichen Positionen, beschäftigen mögen.
Vielleicht ist der Zyklus gerade wegen dieser problematisierenden Hintergründe nicht jedermanns Sache, es gibt ja immer Leser, die eher an Trivialitäten interessiert sind, aber der Autor drängt seinem Publikum seine Ansichten nicht auf. Und natürlich kann er keine Lösungen für unsere heutigen, tatsächlichen Probleme anbieten. Er meint in seinem üblichen umfangreichen Nachwort, daß er IHN verstehen könnte, wenn ER von der Menschheit enttäuscht ihr den Rücken kehrte. Aber Piers Anthony schreibt weiter: "Doch ich sehe keine Lösung darin, die Welt zu ignorieren. So fühle ich letzten Endes, daß eine Reform nötig ist, und dieser Roman stellt einen Vorschlag für die Art von einer Aktion dar, die erforderlich ist. Ich glaube, daß man darüber nachdenken sollte."
Ein großer Anspruch, er betont noch einmal, für wie wichtig Anthony die aufgezeigten Probleme hält. 

SX 31

 

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