Piers Anthony: Chaos Mode

Piers Anthony: Chaos Mode
Teil 3 des Modus-Zyklus
(Ace Books 1993, 358 Seiten, $ 5.99)


In SX 48 stellte ich die ersten beiden Bände des Modus-Zyklus bereits ausführlich vor. Nun ist der dritte Teil als preiswertes Taschenbuch angekommen, und ich habe die ersten beiden gleich noch einmal gelesen. Da Anthony Magie zuläßt, muß man die Bücher wohl unter Fantasy einordnen, auch wenn stellenweise die Science Fiction überwiegt. Allein das ist eine sehr gekonnte und gelungene Mischung.
Die Welt der Modi ist entstanden, nachdem man von einer bestimmten Realität aus einen Virtuellen Modus installierte (analog z.B. zu einem virtuellen Laufwerk im Computer), der eine Unendlichkeit von Realitäten oder Paralleluniversen verbindet. Einige Personen auf den verschiedenen Welten mußten dazu auf eine nicht näher erläuterte Weise aktiv werden, nach dem Virtuellen Modus greifen, und so zu "Anker-Personen" werden. Die "schräge Fläche" des Virtuellen Modus ist so an fünf Punkten verankert und schneidet die Realitäten praktisch durch. Man kann (als Anker-Person) auf ihr laufen und gelangt aller paar Meter in eine andere Realität. Falls eine der Personen aber "losläßt", kippt diese Fläche durch die Realitäten, bis sich ein neuer Anker findet. Praktischerweise geschieht das am Ende eines Romans, so daß der gespannte Leser schon vor den Buchläden lauert, um zu erfahren, wer oder was nun als neue Anker-Person auftaucht.
Nachdem die Protagonisten Colene (ein vierzehnjähriges Mädchen von der Erde), Darius (der Mann, den sie liebt und der den Virtuellen Modus aufbaute, um zu ihr zu gelangen), Seqiro (ein telepathisches Pferd, das die Verständigung der Helden untereinander ermöglicht) und Nona (eine magiebegabte junge Frau aus einem fraktalen Universum) ihr Abenteuer in der Welt der Mandelbrot-Sets bestanden hatten, und Provos - ihre bisherige Begleiterin - ihren Anker gelöst hatte, finden sie sich am Anfang des neuen Buches Angesicht zu Rüssel einem Monster gegenüber. Burgess stellt sich aber als freundlich heraus, er ist die neue Anker-Person und hat Schwierigkeiten mit den Seinen, die ihn umbringen wollen. Als der Kontakt etabliert ist, begibt man sich wieder zu fünft auf die Wanderung entlang dem Virtuellen Modus.
Ziel ist übrigens die Welt von Darius, wo Colene mit ihm glücklich werden will. Aber natürlich ist es bis dahin noch ein langer, langer Weg. Vielfältige Probleme, die Anthony zu einem dichten Netz verstrickt hat, müssen noch gelöst werden - möglicherweise, so deutet sich jetzt an, alle Probleme, die jede der Anker-Personen in seiner oder ihrer jeweiligen Welt zurückließ, als sich der Virtuelle Modus etablierte. Eine zentrale Stellung nehmen dabei natürlich die Schwierigkeiten Colenes ein, die durch negative Erfahrungen depressiv und selbstmordgefährdet ist - sagt sie zumindest immer wieder. Der Leser erkennt allerdings schnell, daß es so einfach mit ihr nicht ist.
Im Virtuellen Modus selbst schleicht außerdem ein Bewußtseins-Raubtier (mind-predator) herum, das Colene immer wieder bedroht und ihren Geist auszulöschen versucht. Deshalb der Titel "Chaos-Modus" - das Monster stürzt das arme Kind in einen Wirbel von chaotischen - aber nicht sinnlosen - Alpträumen. Man kann ihm nur entkommen, wenn man sich in eine Anker-Realität zurückzieht. Und so hetzen die Gefährten recht chaotisch zu Burgess' Welt zurück, um sich mit ihm notgedrungen seinen Feinden zu stellen. Danach gelangen sie wieder ins fraktale Universum, wo Nona eine Reihe offener Fragen zu klären hat. Als das erledigt ist, schaffen sie es gerade so zurück zu Colenes Erde, die man beim letzten Mal fluchtartig verlassen mußte. Hier heiratet Colene Darius - in einigen Bundesstaaten der USA darf man das anscheinend mit Zustimmung der Eltern in ihrem Alter. Selbstverständlich geht auch dabei nicht alles ganz glatt. Aber einige von Colenes irdischen Problemen können mit Hilfe ihrer Freunde gelöst werden. Schließlich verschlägt es sie alle auf die Welt der telepathischen Pferde, und so entbrennt am Schluß noch ein (ziemlich brutaler) Kampf, denn der örtliche Oberhengst fühlt sich von Seqiro in seiner Machtposition herausgefordert.
Um Colene vor dem Gedanken-Monster zu schützen, löst am Ende Seqiro seinen Anker, obwohl er auch lieber bei den anderen geblieben wäre. Wieder dreht sich das Rad, und das Buch endet mit der Perspektive, daß der neue Anker ein alter ist - nämlich die Realität eines bösen Imperators, der alle Universen zu erobern trachtet. Neue ethische und praktische Probleme scheinen sich aufzutürmen.
Für alle Leser, die das telepathische Pferd liebgewonnen haben, versichert der Autor in seinem obligaten - und wie immer äußerst interessanten - Nachwort, daß dies noch nicht das letzte gewesen sei, was wir von Seqiro gesehen haben. Aber er verrät nichts darüber, wie es und wie lange es noch weitergehen soll.
Der Roman ist spannend, voller farbenfroher Effekte und sprüht wieder von Einfällen. Manche Welten wirken ziemlich seltsam, man möchte fast sagen karikaturartig, in ihrer Andersartigkeit. Sie sind offensichtlich einfach nur da, um Vielfalt zu demonstrieren, denn wenn es um Handlung geht, konstruiert Anthony schon weit ausgefeilter. Die Personen und ihre Beziehungen untereinander sind in allen drei Bänden das Wichtigste. Und der Autor wäre nicht Piers Anthony, wenn er diese Beziehungen nicht ganz schön unkonventionell gestalten würde.
Ich kann nur wiederholen, was ich schon in SX 48 schrieb: Hoffentlich kommt das auch mal hierzulande heraus.
 
SX 62


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