Piers Anthony: Mercycle

Piers Anthony: Mercycle
(Ace Books 1991, 343 Seiten, DM 14.80)


"Ich schrieb diesen Roman 1971 und konnte ihn nicht verkaufen. Er war einer von den acht unverkauften Romanen, die ich hatte..." schreibt der Autor in seinem - unvermeidlichen - Nachwort. Und er fährt fort, daß er das Buch inzwischen grundlegend überarbeitet habe; nicht nur seines Namens wegen mag er es jetzt doch noch verkauft haben. Wohl nur diesem Umstand ist es zuzuschreiben, daß der "Piers-Anthony-Effekt" noch nicht wirksam geworden ist, der aus fast jedem seiner Bücher einen ganzen Zyklus werden ließ. Aber: das Ende gibt es durchaus her. Warten wir also ab, ob er noch einmal auf das Buch zurückkommen wird, oder ob er endgültig die Nase voll hat von dem Thema.
Der Verlag wirbt auf der Titelseite des sehr schön aufgemachten Buches mit dem Begriff "Instant Adventure" und gibt auch gleich das Rezept bekannt: Man mische - ein gewöhnliches Fahrrad, einen furchtlosen Forscher, ein Wunder der Technologie. Man füge hinzu - Ozeane voll Wasser, ein oder zwei Meerjungfrauen, einen Spritzer Gefahr. Umrühren und genießen!
Nach dieser interessanten Anleitung war ich gespannt auf das Buch. Abenteuerlich war es, das stimmt. Auch wenn es ziemlich zäh beginnt, dann nimmt die Handlung doch noch ganz schön Fahrt auf.
Ach so, der Titel. Was ein bicycle ist, weiß ja eigentlich jeder. Wenn man nun so ein Fahrrad auf dem Meeresgrund benutzt, wird daraus ein - richtig.
Fünf eigentlich recht gewöhnliche Leute mitsamt dem Haupthelden Don Kestle, einem Archäologen, werden von einem furchtbar geheimnisvollen Auftraggeber angeworben, sich auf ein furchtbar ungewöhnliches Experiment einzulassen. Sie werden mit ihren Fahrrädern und etlicher Ausrüstung durch einen "Tunnel" geschickt, der sie mit der restlichen Welt außer Phase bringt. (Fahrräder, weil Motoren usw. irgendwie in der anderen Phase nicht funktionieren.) Die Bedeutung dieses anfangs etwas undurchsichtigen Vorganges ist es, daß sie nun alle andere Materie praktisch ohne Wechselwirkung durchdringen können. Gleichzeitig befinden sie sich zu ein paar Prozent in einer anderen Phase(nwelt), so daß sie nicht im Erdreich versinken. Ihr Auftrag lautet, sich unter Wasser zu begeben und zu bestimmten Koordinaten vorzustoßen. Atmen können sie nur in der Nähe ihrer Fahrräder, die Luft in ihre Phase herüberpumpen.
Das Buch ist allein schon dadurch spannend, daß Anthony bis zur Auflösung gegen Ende nicht verrät, wie das alles funktioniert und zusammenhängt. Der Zweck ihrer untermeerischen Wanderung, den die Abenteuerer gar nicht kennen, wird dem Leser allerdings bald klar. Am Anfang jedes Kapitels steht ein kleiner Abschnitt, in dem sich anscheinend die Experimentatoren über den Fortgang unterhalten. Die Handlung wird dann zunehmend undurchsichtiger: man weiß, einer der Experimentatoren befindet sich in der Gruppe, ebenso ein Spion der Regierung, aber wer ist es? Dann tauchen leibhaftige Meerjungfrauen auf, versunkene Städte und Schiffe, Tontafeln und chinesische U-Boote.
Es ist alles recht spannend, das detektivische Element tritt stark hervor. Allerdings merkt man dem Buch dann doch an gewissen Stellen an, daß es zum Teil von 1971 stammt. Eine heute kaum noch anzutreffende Didaktik, die den Leser über gewisse archäologische Tatsachen belehrt, Seitenhiebe gegen die Atombombe, was man halt so aus dieser Zeit kennt.
Manches ist auch nicht ganz plausibel, man kann mit einem Fahrrad schon kaum über unwegsames Gelände fahren - wohlgemerkt, das sind keine Mountainbikes oder so - aber wie können die Helden ohne größere Pannen den Meeresgrund meistern? Auch das Ende, die Erklärung mit edlen Parallelweltlern, die versuchen, gewisse alternative Realitäten vor dem Untergang zu retten, wirkt etwas konstruiert.
Was den entscheidenden Vorzug dieses Romans ausmacht, ist allein schon seine Idee. Mit einem Fahrrad über den Grund des Meeres zu reisen, ja wirklich! Unterwasserabenteuer haben ihren eigenen Reiz, auch wenn das Element der Gefahr in diesem Fall fast ausgeschaltet wurde, da nichts den Helden physisch gefährlich werden kann. Ein wenig "versunkene Kulturen" a lá Atlantis kommen auch noch dazu, eine kleine Liebesgeschichte, umrühren und fertig ist der Roman. Unterhaltsame Lektüre , wenn auch nicht gerade von genrebestimmendem Gewicht.

SX 42


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