Randall Garrett & Vicki Ann Heydron: Der Gandalara-Zyklus
Randall Garrett & Vicki Ann
Heydron: Der Gandalara-Zyklus
(Heyne 06/4500 - 4506)
- Der Stahl von Raithskar (The Steel of Raithskar, 1981), übersetzt von Fredy Köpsell 1988, 282 Seiten, DM 8.80
- Das Glas von Dyskornis (The Glass of Dyskornis, 1982), übersetzt von Fredy Köpsell 1988, 254 Seiten, DM 8.80
- Die Bronze von Eddarta (The Bronze of Eddarta, 1983), übersetzt von Fredy Köpsell 1988, 202 Seiten, DM 8.80
- Der Quell der Dunkelheit (The Well of Darkness, 1983), übersetzt von Irene Holicki 1988, 238 Seiten, DM 8.80
- Die Suche nach Kä (The Search for Kä, 1984), übersetzt von Christian Jentzsch 1988, 220 Seiten, DM 8.80
- Die Rückkehr nach Eddarta (Return to Eddarta, 1984), übersetzt von Christian Jentzsch 1988, 204 Seiten, DM 8.80
- Der heilige Stein (The River Wall, 1986), übersetzt von Christian Jentzsch 1989, 413 Seiten, DM 9.80
Nichtsahnend stöberte ich bei einem Förstercon in Micha Stöhrs
Bücherkisten, da fiel mir ein Buch mit einer schönen Einbandillustration
von Jim Burns in die Hände. Und dann noch eins. Und noch eins.
Schließlich hatte ich sie alle sieben zusammen und freute mich:
Ein vollständiger Zyklus!
Nun kaufe ich Bücher eher selten nach Titelbildern, eigentlich
bewegte mich der Name Randall Garrett dazu, denn diesen Autor schätze
ich z.B. für seinen Lord Darcy. Als ich später herausfand, daß
diesen Zyklus tatsächlich seine Frau Vicki Ann Heydron nach
seinem Exposé geschrieben hat, gefiel er mir darum nicht weniger
gut. Garrett schien einen derartigen Einfluß zu haben - auch seine
Darcy-Geschichten wurden ja nach seinem Tod fortgeschrieben, und das nicht
mal schlecht.
Also will ich den Zyklus empfehlen. Zunächst zu Äußerlichkeiten.
Auf Jim Burns habe ich schon verwiesen, seine Bilder illustrieren
tatsächlich den Inhalt der Bücher, was selten genug vorkommt.
Heyne hat sich außerdem große Mühe gegeben, die sieben
Bände in einer einheitlichen Aufmachung auf den Markt zu bringen.
Jeder Buchrücken ist dabei in einer eigenen Farbe gehalten. Wenn man
die Copyrightvermerke anschaut, merkt man, daß sie außerdem
fast gleichzeitig erschienen sein müssen. Ob das so gut war für
den Verkauf? In der Regel legt man sich längere Zyklen ja doch nach
und nach zu, wenn man sie nicht gerade aus Bücherkisten fischt. Erwähnenswert
ist auch, daß die von Christine Göbel gezeichnete obligatorische
Karte in den einzelnen Bänden Stück für Stück gezeigt
wird, so wie der Held sich Gandalara erschließt.
Die Ausgangssituation ähnelt vielen anderen Fantasy-Werken. Ein
Held, Ricardo Carillo, von unserer Welt stammend, wird durch ein besonderes
Ereignis in eine andere Welt geschleudert. Das Ereignis ist merkwürdigerweise
ein Meteorit, der eine Kreuzfahrtyacht im Mittelmeer trifft. (Wäre
dann wohl der erste verzeichnete derartige Fall, bei dem Menschen getötet
wurden.) Ricardo wacht in einem fremden Körper in einer salzigen Wüste
auf und wundert sich. Dann bekommt er den nächsten Schock, als er
plötzlich einem Tiger gegenübersteht, der größer sein
muß, als ein ausgewachsenes Pferd.
Wie sich glücklicherweise herausstellt, ist das sein Reittiger
- im Buch wird so etwas allerdings Katze oder Kater genannt - der mit ihm
in telepathischer Verbindung steht. Und fortan erlebten sie zusammen Abenteuer.
Selbstverständlich hat Rikardon eine Mission zu erfüllen, die
er Schritt für Schritt oder auch Buch für Buch erfährt.
Zunächst geht es darum, einen gestohlenen blauen Edelstein wiederzufinden,
der dazu benutzt werden kann, die Geistesmacht (Telepathie) eines Menschen
zu verstärken. Später stellt sich heraus, daß dies nur
ein Teil einer viel gewaltigeren Aufgabe ist, der sich Rikardon mit seiner
bald gefundenen Gefährtin Tarani stellen muß.
Zuerst schien es mir, als habe die Autorin bei der Konstruktion ihrer
Welt keine große Sorgfalt walten lassen, denn es gibt da nur das
eine Land Gandalara, das komischerweise von "Mauern" umschlossen ist. Die
Menschen kennen nichts außerhalb und leben in der Wüste, so
gut es eben geht. Sie haben nicht einmal die Idee, daß hinter einer
Mauer ja etwas sein müsse. Eine Vereinfachung zwecks Arbeitserleichterung?
Keineswegs! Das Geheimnis wird zwar erst im letzten Band gelüftet,
aber es macht durchaus Sinn. Ich hatte mir genau das Falsche gedacht, nämlich
daß es Ricardo in die ferne Zukunft nach dem Untergang des Restes
der Menschheit verschlagen hätte. Aber der Ort, wo er als Rikardon
weiterlebt, befindet sich Millionen Jahre in der Vergangenheit! Dort, wo
Herr Jeschke seinen "letzten Tag der Schöpfung" stattfinden ließ:
auf dem Grund des noch nicht überfluteten Mittelmeeres.
Und zwar kurz vor dessen erneuter Überflutung in einigen Generationen
oder so. Das ist das zweite kleine Problem, mit dem unser Held zu ringen
hat.
Erfreulicherweise gibt es in Gandalara keine Magie, sondern alles Andersartige
läßt sich durchaus damit erklären, daß diese vorzeitliche
Zivilisation eben nicht aus Menschen besteht, wie wir sie kennen. Darum
ordnet der Verlag den Zyklus auch unter SF ein, obwohl er nach außen
hin ob seiner Handlungsstrukturen als Fantasy erscheint. Doch das ist wohl
eine eher akademische Frage. Wichtiger ist, daß sich die Handlung
spannend durch alle sieben Bände zieht und mit der einen oder anderen
Überraschung aufwartet. Die verschiedenen Bereiche der Zivilisation
von Gandalara werden plastisch dargestellt und fügen sich logisch
ineinander, wie auch in das sich langsam entfaltende Bild von der Geschichte
dieses Landes.
Da ist das Verhältnis der "Reiter" zu ihren Großkatzen,
das stark an das der Drachenreiter von Pern zu ihren Drachen erinnert.
Die Katzen sind intelligent und binden sich in einem bestimmten Alter an
einen Jungen oder Mann, um ihn, bis auf die Paarungszeit, nie mehr zu verlassen.
Außer den Katzen gibt es kein Tier in Gandalara, das groß genug
zum Reiten wäre. Darum begegnet man einem Reiter immer mit Ehrfurcht.
Es gibt kein Eisen in der Senke des Mittelmeeres, so daß die
beiden Stahlschwerter aus Meteoreisen, die Rikardon und Tarani bekommen,
etwas sehr Besonderes sind. Auch ohne magische Eigenschaften sind sie natürlich
den Bronzewaffen weit überlegen.
Die Telepathie spielt im Leben der Leute eine größere Rolle,
als sie wahrhaben wollen. Ein mysteriöser All-Geist existiert als
eine Art Kollektiverinnerung, die man sich unter bestimmten Umständen
zunutze machen kann. Und einige Bösewichte versuchen natürlich,
mit ihren Geistesgaben und dem blauen Edelstein-Verstärker die Menschen
zu unterwerfen.
Wie gesagt, das alles fügt sich tatsächlich am Ende zu einem
Ganzen zusammen, ohne gezwungen zu wirken. Bis dahin halten die Rätsel
aber die Spannung wach. Die Autorin erlaubt es sich sogar, ein gewisses
Maß an Mystik am Ende bestehen zu lassen - wieso Ricardo eigentlich
in die Vergangenheit geschleudert wurde, so daß es ganz nach einer
bewußten Handlung von irgendeinem Etwas aussah, um dort seiner "Bestimmung"
nachzugehen, das wird nie ganz geklärt. Auch er selbst grübelt
öfter einmal darüber nach, weshalb gerade er . aber er hat nie
genug Zeit. Immer wieder muß er sich um andere Sachen kümmern,
seine Haut retten oder die von Freunden. Der Leser kann schließlich
nur vermuten, daß jener All-Geist die virtuellen Finger im Spiele
hatte, doch wozu muß man das überhaupt so genau wissen?
Der Zyklus ist rund und geschlossen, das eine Problem gelöst,
und das größere wurde angepackt. Das Meer kann auch Rikardon
nicht aufhalten, also wird er sein Volk aus der Senke herausführen,
über die Mauern hinweg, die in Wahrheit Berge sind. Doch dieses Vorhaben
wird Generationen in Anspruch nehmen - eine realistische Einschätzung.
Wer nicht so recht weiß, was er nun wieder sammeln sollte, der
kann sich ruhig für diese sieben Bücher entscheiden. Wenn sie
nicht mehr im Verlagsangebot sein sollten, findet man sie garantiert auf
dem einen oder anderen Buchmarkt.
Obwohl Science Fiction draufsteht, ist etwas drin, das mehr Fantasy
ist, aber dann doch wieder nicht. Auf jeden Fall bieten die Bände
spannende Unterhaltung auf weit über tausend Seiten.
SX 56
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