Robert Silverberg: Hot Sky At Midnight
Robert Silverberg: Hot Sky At Midnight
(Harper Collins 1994)
Was Silverberg nicht schreibt, kann man leicht sagen: Er schreibt keine
einfachen, leicht konsumierbaren Bücher, die man entspannt im Sessel
oder eben mal so auf der Bahnfahrt lesen kann. Jedenfalls nicht der Silverberg
von heute. Mit seinem Namen kann er es sich leisten, anspruchsvolle SF
zu machen, die weit, weit über dem steht, was beispielsweise in Heften
oder als space opera erscheint.
"Heißer Himmel um Mitternacht" ist ein harter, schonungsloser
Öko-Roman mit einer vielschichtigen und verzweigten Handlung. Keiner
seiner Helden ist eine positive Gestalt! Silverberg führt dem Leser
mitleidlos vor Augen, wie die Welt aussehen wird, wenn man die ökologischen
Entwicklungen von heute extrapoliert. Genau vor die Augen, die wir so gerne
vor den Dingen verschließen, die man uns zu sagen versucht. Er zeigt
in diesem Buch nicht irgendein weithergeholtes Umweltdesaster auf, sondern
die Folgen von dem, was wir heute tun und was schon über ein Jahrhundert
lang mit der Erde gemacht worden ist.
Ironischerweise spielt das Buch auf einer Erde, auf der man sich mehr
oder weniger einig geworden ist, wo es keine Kriege mehr gibt. Jedoch haben
ihre Sünden die Menschheit eingeholt. Die Luft ist fast nur noch mit
Atemmaske zu gebrauchen, Wasser und Boden sind verseucht. Weite Teile der
Welt sind bereits unbewohnbar, der Treibhauseffekt hat den ganzen Planeten
in einen Glutofen verwandelt. Zwar haben gewisse Landstriche, die zuvor
Wüsten oder Permafrostgebiete waren, einen Nutzen davon, aber es ist
erkennbar, daß dies nur vorübergehend ist. Wenn die Luft vollends
giftig geworden ist, wird auch hier alles zu Ende sein.
Die Welt liegt buchstäblich in ihren letzten Zügen. Es ist
abzusehen, daß es nur noch zwei, drei Generationen dauern wird, bis
sie für den Menschen unbewohnbar geworden ist. Silverberg schildert
das alles mit einem nüchternen Realismus, der Angst einjagt. Auf der
einen Seite die Mega-Corporationen mit ihrer High-Tech-Zivilisation, auf
der anderen die Verpestung und Verödung der Welt, die auch sie nicht
mehr aufhalten können. Nur auf den Orbital-Habitaten ist noch ein
Leben möglich, das halbwegs lebenswert erscheint. Doch man kann nicht
die ganze Menschheit auf die Habitate umsiedeln. So arbeiten die beiden
größten Konzerne konkurrierend an zwei Projekten: Am überlichtschnellen
Raumflug und an der Möglichkeit, den Menschen durch Genmanipulation
in etwas zu verwandeln, das auf der Erde überleben kann. Etwas, das
Methan atmet und auf Schwefel basierende Blutkörperchen hat.
Diejenigen, welche der Forschung daran mit moralischen Skrupeln gegenüberstehen,
sind nur noch wissenschaftsfeindliche Spinner. Angesichts der Katastrophe
fliegt jeder Skrupel über Bord. Wieder dieser nüchterne, durchaus
glaubhafte Realismus. Silverberg hält sich nicht damit auf, zu sinnieren,
wie ein FTL-Antrieb aussehen soll. Er wendet sich einem ganz anderen Problem
zu. Anscheinend können nur Leute schneller als das Licht fliegen,
die eine völlig andere optische Wahrnehmung haben als die normalen
Menschen. Im Klartext heißt das, sie haben gar keine Augen! Plötzlich
gewinnt für die Konzerne das skandalöse Experiment eines mad
scientist an Bedeutung, der vor Jahren an menschlichen Ungeborenen manipulierte,
um Monster ohne Augen, aber mit einer Art außersinnlichen Wahrnehmung
zu schaffen. Und wieder fliegen die Skrupel über Bord. Eines der Opfer
ist es gar, das den Professor in seinem Refugium aufspürt und wieder
aktiviert, obwohl Victor Farkas ihn eigentlich lieber für das töten
würde, was er ihm angetan hat.
Farkas, der Mann ohne Augen, ist ein typischer Vertreter für die
handelnden Personen. Opfer und Täter zugleich, könnte man mit
einem nicht ganz passenden Klischee sagen. Er und viele andere Personen
tragen abwechselnd die Handlung, die in ihrer beinahe hektischen Zerstückelung
die Atmosphäre widerspiegelt. Ein klein wenig erinnert der Stil sogar
an Brunners "Morgenwelt", wenn er auch nicht ganz so chaotisch ist.
Die Handlung an sich wird fast zur Nebensache, wenn Silverberg die
Auswirkungen und Formen des Zusammenbruches der Natur an vielen Beispielen
schildert. Und doch schlägt er nicht in die Kerbe, die uns weismachen
will, daß es die Erde ist, die bedroht ist. Klar und deutlich sagt
er dem Leser die Wahrheit: Der Mensch wird untergehen, den Planeten kümmert
das nicht. In ein paar Jahrhunderttausenden wird diese Pest vergessen sein.
Der Realismus beeindruckt dabei am meisten. Silverberg stimmt kein
Wehgeschrei an, indem er plötzlich unglaubliche Katastrophen hereinbrechen
läßt, um ja am Schicksal eines einzelnen Helden den Untergang
der Menschheit schön literarisch zu verarbeiten. Wollte man das tun,
müßte man schon eine Familiensaga schreiben, die mehrere Generationen
umfaßt. Nein, es wird nicht schnell gehen, scheint er sagen zu wollen,
es wird eine lange und qualvolle Agonie werden.
Im Ozean, so entdeckt man, entsteht aus all dem Müll offenbar
eine neue Art Ursuppe. Optimismus? Ein neuer Anfang? Nicht bei Silverberg.
Seine Protagonisten erkennen, daß das einzige Leben, was aus diesem
Ozean kommen wird, neue, besser angepaßte Mikroorganismen sein werden,
die mit dem schon existierenden Leben - wie z.B. dem Menschen - kurzen
Prozeß machen werden.
Der Roman ist keine leichte Lektüre. Der Autor will mit ihm etwas
sagen, warnen, aufschreien. Doch was kann der Leser tun? Sein Zeug in die
Biotonne einsortieren? Nicht mehr mit dem Auto fahren? Angesichts dieser
apokalyptischen Vision kann man nur noch entmutigt den Kopf hängen
lassen. Oder doch nicht?
(c) by Agberg Ltd. 1993, 388 Seiten, £ 3.99
SX 70
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