Roger Zelazny: Katzenauge
Roger Zelazny: Katzenauge
(Heyne 4217)
Wir balgten den Wolf ab
und am Morgen hing da eine
menschliche Haut.
Nachts wurde sie wieder
zum Pelz eines Wolfes.
Zelazny gehört in den USA laut Einband des Buches zu den meistgelesenen
SF-Autoren, hier dürfte er jedoch bis auf seinen Amber-Zyklus noch
recht unbekannt sein. Um es vorweg zu schicken, "Katzenauge" (Eye of Cat,
1982) ist ein ungewöhnliches Buch, und es liest sich keineswegs leicht.
Ausgewiesen ist es als Fantasy-Roman, obwohl es anfangs eher nach SF aussieht.
Zelazny experimentiert in diesem Werk ein wenig in der Art von John Brunners
"Morgenwelt" oder "Schafe blicken auf". Die Handlung wird von kaum mit
ihr zusammenhängenden Schlagzeilen oder News-Spots unterbrochen, eine
Gruppe von Telepathen wird über zwölf Seiten hinweg durch sowohl
handgeschriebene (Faksimilie) als auch gedruckte Lebensläufe vorgestellt,
bei denen sogar unterschiedliche "Handschriften" auftreten. Die ESP-Gespräche
dieser Gruppe sind ebenfalls Formexperimente, obwohl Zelazny nicht so weit
geht wie Alfred Bester in "The Demolished Man" (dt Demolition). Außerdem
gibt es lange Passagen, die man als Lyrik (siehe oben) und Traumgeschehen
bezeichnen könnte. Letztere hängen eng mit dem besonderen Inhalt
des Buches zusammen.
Der Held ist nämlich der letzte Navajo-Indianer, William Blackhorse
Singer, der sein Leben als interstellarer Jäger verbracht hat und
sich nun im Ruhestand befindet. Mit seiner Persönlichkeit ist eine
weitere stilistische Eigenart des Buches verbunden, die breiteste Anlehnungen
an indianische Mythen und Gesänge enthält. Man setzt jedenfalls
als deutscher Leser und Nichtindianistiker voraus, daß Zelazny seriös
genug vorging, um sich an echten indianischen Mythen zu orientieren und
nicht welche zu erfinden. Nehmen wir einmal an, es ist so.
Diese Form des Buches befördert nicht unbedingt ein intensives
oder flüssiges Lesen. Man neigt wohl eher dazu, gewisse Stellen recht
flüchtig zu überfliegen, da sich die Verbindung zur Handlung
nur sehr schwer auftut.
Den Helden Singer quält eine alte Schuld, ein Chindi, denn er
hat einmal ein Wesen gefangen und in den Zoo gebracht, das intelligent
gewesen sein könnte. (Übrigens fast wie bei den Strugazkis.)
Das Wesen Katze ist ein Gestaltwandler. Als Singer von der Regierung gebeten
wird, ein Attentat durch einen anderen, bekanntermaßen intelligenten
Gestaltwandler zu verhindern, begibt er sich in den Zoo und konfrontiert
sich mit seinem Opfer. Und da offenbart ihm Katze telepathisch, daß
er wirklich vernunftbegabt ist - die alte Befürchtung erweist sich
als wahr. Sie schließen ein Abkommen: Katze hilft Singer bei seinem
Auftrag und erhält danach ihn zwecks Rache.
Der Auftrag ist schnell erledigt, die Telepathengruppe spielt eine
gewisse Rolle dabei. Nun geht die eigentliche Handlung erst los. Singer
will sich von Katze töten lassen, aber das reicht dem Gestaltwandler
nicht. Der will die Jagd.
Im Laufe der Jagd um die ganze Erde versenkt sich der alte Indianer
immer tiefer in die magische Mythenwelt seiner Ahnen, um in ihr die Kraft
zu finden, Katze zu besiegen. Die Telepathen versuchen ihm zu helfen, dabei
findet einer von ihnen den Tod durch Katze und wird gleichsam unsterblich
in den Geistern der anderen. Einen wesentlichen Teil der abrollenden Handlung
nimmt Singers Eintritt in die Schein(?)welt seiner Mythen ein. Am Ende
ist nicht mal mehr die Vernichtung der intelligenten Bestie besonders wichtig,
das geschieht fast nebenbei. Singer verfolgt den gewählten Weg der
Selbstversenkung weiter auf der Suche nach seinem wahren Chindi, der er
selbst ist. Am Ende steht ein Kampf mit seinem Doppelgänger, mit seinem
verlorenen Ich. Trotz des wiederholten Versuches der Telepathen, ihn aus
seiner Mythenwelt zu holen, stirbt Singer in dieser letzten Auseinandersetzung.
Zelazny läßt den Leser ein wenig verwirrt zurück. Der
Doppelgänger war anscheinend in Singers Welt real genug, um ihm höchst
echte Wunden zufügen zu konnen. Wie das? Es wird nicht klar, auch
nicht durch den abschließenden indianischen Gesang.
Das Buch muß als ein Versuch angesehen werden, sich der indianischen
Mythologie und Folklore auf eine neue Weise zu nähern. Es hätte
auch ein Voodoo-Zauber sein können, oder eine Satansbeschwörung,
die gegen das außerirdische Wesen eingesetzt worden wäre.
In seiner letzten Jagd hat Singer sein altes, indianisches Ich wiedergefunden
und geht zufrieden zu seinen Ahnen. Ihm gegenübergestellt ist Ironbear,
ein weiterer Indianer, der jedoch ganz und gar urbanisiert ist. Aber auch
er beginnt den Weg zurück (?), während er Singer folgt um ihm
zu helfen. Eine Polemik um gegenwärtiges Geschehen in den indianischen
Kreisen der USA? Möglicherweise, dann aber sicher fehl am Platze.
Die vermutlich zu beobachtende Entfremdung der heutigen Indianer von ihrer
alten Kultur ist doch wohl kaum deren persönliche Schuld, sondern
resultiert aus harten Zwängen, die ihnen die Gesellschaft auferlegt.
Kämpften nicht unlängst Indianer um einen Begräbnisplatz
ihrer Ahnen, der zum Golfplatz werden sollte? Die Weißen hatten auch
heute nur eine Antwort: die Armee.
So gesehen ist Zelaznys Argumentation ein wenig vereinfachend. Besser
ist, man nimmt sich nur das Abstraktum des Selbstbesinnens auf die eigene,
ursprüngliche Kraft angesichts einer tödlichen Gefahr, dann hat
man die Aussage des Buches in etwa erfaßt. Wie gesagt, kein leichtes
Buch, keine S&S-Fantasy, nicht einfach zu lesen, aber doch nicht uninteressant.
SX 10
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