Simon Hawke: Das Ivanhoe Gambit
Die Zeitkriege haben begonnen!
Simon Hawke: Das Ivanhoe Gambit
(Bastei Lübbe 23166)
In dieser Zukunft gibt es keine Kriege mehr.
Großartig, nicht wahr?
Der Trick daran ist, daß man seine politischen und sonstigen
Streitigkeiten in der Vergangenheit austrägt. Mittels Zeitmaschine
- hier Zeitschirm genannt - werden Soldaten des Zeitkorps in einen Krieg
irgendeiner vergangenen Epoche geschickt, um dort mitzumischen. Sie dürfen
die Geschichte nicht verändern, etwa Napoleon bei Waterloo zum Sieg
verhelfen, aber sie dürfen mit den Mitteln der jeweiligen Zeit mitkämpfen.
Sogenannte Beobachter und Schiedsrichter entscheiden, welche der Konfliktmächte
in der (zukünftigen) Gegenwart gewinnt.
Das scheint auch gutzugehen, jedenfalls so lange, bis ein Schiedsrichter
durchdreht und die Geschichte doch verändern will, wodurch der Zeitstrom
gespalten würde. Der Gute gibt sich als Richard Löwenherz aus,
welcher aus der Gefangenschaft zurückkehrt, und hat offenbar vor,
das Leben des Königs nicht ganz nach Drehbuch zu leben.
Man schickt eine Spezialeinheit aus, um diesen Zeitmist wieder hinzubiegen.
Obersergeant Lucas Priest und seine (drei!) Männer sollen den Pseudo-Richard
stoppen. Sinnigerweise in der Rolle von Robin Hood und seinen Getreuen.
Was man daraus für ein Buch machen kann, ist fast schon klar.
Interessanterweise stellt aber Hawke die Zukunftssoldaten nicht als die
Überlegenen hin, sondern läßt sie sehr schnell auf den
Boden der mittelalterlichen Realität finden. Auch Robin Hoods Gestalt
wird ein wenig nüchterner betrachtet. Die Soldaten haben arge Probleme,
allein mit den echten Rittern und sonstigen Leuten des Mittelalters fertigzuwerden,
ganz abgesehen von dem wahnsinnigen Schiedsrichter. Zum Glück begegnen
sie einem Zeitdeserteur, der ihnen mit Waffen aus der Klemme hilft, die
ein wenig anachronistisch sind - Maschinenpistolen und so.
Das Geschehen ist sehr spannend und mit Liebe zum Detail erzählt.
Manch komische Situation ergibt sich allein aus dem Aufeinanderprallen
der Kulturen. Es mag sein, daß Hawke die Zeit Richards nicht so wiedergibt,
wie das Geschichtsbücher tun, aber gerade das erweckt den Anschein
der Natürlichkeit.
Als recht problematisch erschienen mir nur zwei grundlegende Dinge.
Erstens wirft Hawke die "anerkannte" Vorstellung über Bord, daß
eine Veränderung in der Vergangenheit einen kumulativen Effekt auf
die Gegenwart hätte. Seine Leute haben keine Hemmungen, in der Vorgeschichte
zu kämpfen und zu töten. Nur bei historischen Größen
soll das Auswirkungen haben. Dieser Kritikpunkt mag irrelevant sein, da
es keine Zeitreisen gibt und nicht einmal eine in sich logische Theorie
vom "Was wäre, wenn..."
Zweitens ist natürlich die ganze Voraussetzung vom Verlegen des
Krieges in die Vergangenheit fragwürdig. Würde sich überhaupt
jede militärische Macht an dieses Verfahren gebunden sehen? Und heißt
das nicht, daß Hawke den Krieg als Mittel zur Entscheidung strittiger
Fragen nicht nur nicht ablehnt, sondern unbedingt bejaht? Egal wo er stattfindet,
er dient als explizites Entscheidungsmittel.
Einmal hiervon abgesehen, ist das Buch doch recht gut lesbar, es hat
Action, Spaß und Spannung. Die Anachronismen geben ihm ein besonderes
Flair, ohne es in den absurden Humor abgleiten zu lassen. Man muß
die Geschichte von Robin Hood kennen, um es zu verstehen, doch wer kennt
die nicht? Die Übersetzung geht mal so, mehr will ich dazu nicht sagen.
Ziemlich dumm finde ich es allerdings vom Verlag, daß er zwar andeutet,
daß dies "ein Abenteuer der neuen Zeitreiseserie" sei, aber keinerlei
Hinweise darauf gibt, das wievielte und welche anderen es noch gibt / geben
wird. Da sind andere Verlage wesentlich cleverer.
The Ivanhoe-Gambit, (c) by Simon Hawke 1984, übersetzt von Bernd Kling 1995, 318 Seiten, DM 9.90
SX 70
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