Stephen Leigh: Abraxas
Stephen
Leigh: Abraxas
(Heyne 06/4987)
Daß wir in einem Multiversum leben, wissen wir ja nun schon seit
einiger Zeit, bzw. einigen Büchern. Vorrangig waren solche dem Bereich
der Fantasy zuzuordnen, wie auch "Abraxas", obgleich der Roman in unserer
Jetztwelt und -zeit spielt. Meistens ist das Multiversum aus verschiedenartig
verschachtelten Paralleluniversen, -welten, -kosmen oder -erden aufgebaut.
Sicher hat mal irgendwer auch den Begriff geprägt, aber wie so vieles
in der SF ist er inzwischen längst Allgemeingut geworden. Genau wie
die "Tore", durch die man von einer Welt in die andere gelangt. Ich stieß
in Farmers "Welt der tausend Ebenen" zum ersten Mal auf sie - vor einiger
Zeit. Da Welten und Tore zum Inventar gehören, kann man dem Autoren
nicht vorwerfen, daß er sie benutzt. Eher schon die leicht angestaubte
Idee, daß im Gegensatz zur Erde auf den Parallelwelten die Magie
zu Hause ist.
Letzterer Umstand beförderte das Buch wohl auch in die Fantasy-Abteilung,
nicht etwa die Paralleluniversen. Die kann man auch in reiner hard core
SF finden.
Aber die Idee ist ja auch zu schön. Man nehme Magier, Dämonen
und fremartige Monster und schicke sie zur Erde - aus irgendeinem Grund
immer nach New York. Dann verwickle man einige unbedarfte Erdenwürstchen
in das okkulte Geschehen, die sich als besonderen Effekt dann noch als
die Retter aller Universen herausstellen, und schon kann die Handlung abrollen.
Auf diese Weise sind etliche - und oft sogar gute - Bücher gestrickt.
Leider sind dadurch die meisten Handlungsstrukturen schon so festgelegt,
daß die Ähnlichkeit nicht mehr zu übersehen ist. (Auch
die Spiegelung dieser Angelegenheit, wenn ein Erdensohn nach Magierland
deportiert wird, gibt inzwischen nicht mehr viel Neues her.)
Also muß man sich etwas einfallen lassen, um den müden Plot
etwas aufzupeppen. Zum Beispiel Sex. Den gibt es in Stephen Leighs Buch
so ungefähr auf jeder zweiten Seite. Der größte Teil handelt
vom Geschlechtsleben eines verklemmten Rock-Musikers namens Dirk, der an
die Parallelweltlerin Angela geraten ist. Die ist nun wieder auf der Suche
nach einer mathematischen Abhandlung, welche natürlich der Schlüssel
zu etwas ist, das ich bis zum Schluß nicht ganz mitbekommen habe.
Zweck des Ganzen scheint es zu sein, ihre und andere Parallelwelten zu
retten. Die Erklärung der Bedrohung der Welten klingt etwa so wie
eine alles Geistvollen entkleideten (ha!) Begründung, warum Michael
Endes Phantasien untergeht. Die Menschen der Erde sind mit ihrer das Universum
anödenden Langweiligkeit selbstverständlich daran schuld.
Irgendwelche anderen Gedanken als ans Vögeln (Zitat aus dem Buch)
tauchen sowieso erst im letzten Drittel auf. Dann aber gleich so bedeutungsschwer,
daß sie einem glatt auf die Füße fallen.
Außer Angela und Dirk wirken noch ein geisteskranker, aber sehr
wichtiger Hermaphrodit(in), ein zwergwüchsiger Zauberer mit seinem
ständig an Menschenbeinen nagenden Monster und einige andere Schwachsinnige
mit, die voll aus dem Leben gegriffen sind. Echt überzeugend.
Alles sucht das Notizbuch eines verstorbenen mad scientist, der dann
auch schnell magisch wiederbelebt wird, was eine ziemlich komische Szene
ist. Überhaupt hatte ich den Eindruck, das Werk sei vielleicht eher
satirisch-selbstironisch gedacht. Über die ständigen Darstellungen
abstoßender Menschen, Praktiken und Örtlichkeiten kann man entweder
nur lachend den Kopf schütteln oder sich davor ekeln. Das bringt mich
allerdings auf einen Gedanken. Es spielt in dem Buch eine Art Schausteller-Zirkus,
möglicherweise der "Abraxas Marvel Circus" des Originaltitels, eine
Rolle. Hier wurden tierische und menschliche Kuriositäten in entwürdigender
Weise zur Schau gestellt. Vielleicht soll der Roman eine Analogie sein?
Sicher gibt es Leser, die das Buch gut und unterhaltsam finden, wie
ein mir bekannter Doktor, und sogar ich las es im zweiten Anlauf bis zum
glücklichen Schluß. Aber ich habe halt meinen Geschmack und
etwas dagegen, eine lahme SF oder Fantasy-Handlung mit Sex "anzureichern"
damit überhaupt etwas dasteht. Das Buch machte auf mich streckenweise
den Eindruck, der Autor habe eine nicht eben neue Fantasy-Idee in eine
fast pornographische Rahmenhandlung verpackt. Das scheint gar der neue
Trend zu sein, denn ähnliches begegnete mir in einigen der letzten
Titel auf dem SF & F - Markt. Nun gut, wenn sich jemand nicht in die
einschlägigen Läden traut, kann er ja dieses Buch ohne Skrupel
erwerben. Er wird Spaß haben. Ich hatte keinen.
[The Abraxas Marvel Circus, (c) Stephen Leigh 1990, übersetzt von
Irene Bonhorst 1993, 318 Seiten, DM 12.80]
SX 39
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