Teresa Plowright: Dreams Of An Unseen Planet

Ich sehe was, das du nicht siehst...
Teresa Plowright: Dreams Of An Unseen Planet
(Grafton Books, 1986)


Ein Buch von einer Frau, und noch dazu vor allem über Frauen - da hat man ja schon so seine negativen Erfahrungen im Bereich der SF und Fantasy. Einige bekannte Autorinnen, wie vor allem Marion Zimmer-Bradley, benutzen das Medium SF neuerdings hauptsächlich dazu, recht extremen feministischen Tendenzen nachzugehen oder ihre diesbezüglichen Auffassungen darzustellen. Ich habe eigentlich nichts gegen Frauen, nicht einmal, wenn sie SF schreiben. Es gibt viel mehr männliche Autoren, die sich einbilden, sie könnten über Probleme von Frauen schreiben - und die dabei jämmerlich versagen. Aber wenn die Damen dann ihren großen Namen nutzen, um extrem zu werden, dann verliere ich schnell die Toleranz. Zum Glück ist das bei T. Plowright nicht der Fall, obwohl mir der Einstieg in ihr Buch nicht gerade leicht fiel. Es geht hier weniger um Feminismus (also Frauenrechte usw.) als um weibliche Protagonisten, die sich mit einigen Männern, die im Buch aber nur Nebenrollen spielen, in einer Weltraumkolonie auf einem fremden Planeten befinden.
Hier verwirrt der Klappentext etwas, der behauptet, daß die Ventura-Kolonie um den Planeten Gaea kreist. In Wirklichkeit befindet sie sich auf der Oberfläche des Planeten. Allerdings trägt der Text wenig dazu bei, das dem Leser begreifbar zu machen. Es ist sogar sehr schwer, sich die Lage der Kolonie in Bezug auf den Planeten vorzustellen. Nicht, daß sie eine Rolle spielte, die Haupthandlung findet innerhalb der Kolonie statt, die einer riesigen Raumstation ähnelt. Die hard-sf-Elemente werden von der Autorin nur zweckmäßig eingesetzt, sie konzentriert sich ganz auf andere Schwerpunkte. Weder auf den Raumflug (irgendeine Sprungtechnik) noch auf andere technische Dinge geht sie explizit ein, sie setzt sie einfach voraus.
Teresa Plowright ist eine neue englische Autorin, und für einen Newcomer ist ihr Roman sehr beachtlich. Nicht nur, daß sie praktisch SF-Tabuthemen aufgreift, sie macht das auch in gekonnter Weise.
Ventura ist als Hoffnungsträger der Menschheit losgeschickt worden, um das menschliche Leben irgendwo "draußen" zu erhalten, denn auf der Erde scheint es keine Zukunft mehr zu haben. Die Kolonie ist auf dem Zielplaneten gelandet, doch sie mußte erleben, daß die Bedingungen dort nicht wie erwartet waren, sondern sich bei ihrer Ankunft drastisch ins lebensfeindliche veränderten. Sie sind in ihrer Station gefangen und haben sich von der Umgebung abgekapselt (darum auch der Titel "Träume von einem nicht gesehenen Planeten). Der SF-Freak erkennt schon bald, daß wir es hier mit einem planetarischen Bewußtsein zu tun haben. (Ist gar der Name Gaea eine Hommage an I. Asimovs "Foundation's Edge"?) Komisch, wie die Raumfahrer das immer nicht merken. Lesen wohl keine solche Fachliteratur.
Eine Frau, Miera, wird - es ist das sechste Jahr des Aufenthaltes der Kolonie - von seltsamen "roten Träumen" gequält. Auch hier ist für den erfahrenen Leser schnell der Kontaktversuch durch den Planeten zu vermuten, doch auch das erkennt zunächst keiner an Bord. Die Leute haben nämlich andere Probleme. Sie bekommen keine Kinder. Die Ursache ist unbekannt, nachher stellt sich heraus, daß es nichts mit Strahlung oder so zu tun hat, sondern mit der Ferne von der Erde. Dieser Teil des Buches gefiel mir weniger, da die Autorin für meinen Geschmack zu mystisch wird, wenn sie die Erscheinungen zu erklären versucht.
Da nun gerade Fortpflanzung die Aufgabe der Kolonie ist, wird man verständlicherweise nervös. Ohne diese Begründung wäre die Betonung von anscheinend typisch weiblichen Sorgen und Ängsten im Zusammenhang mit der Reproduktion im Buch wohl nicht verständlich. T. Plowright geht hier recht weit. Mir sagte diese Fixierung der Protagonisten anfangs gar nicht zu, bis ich sie schließlich akzeptieren mußte.
Die Schilderung des Lebens in der Kolonie ist eine reine Dystopie. Die Führungsgruppe, genannt "Zentrum", sollte ursprünglich eine Art Rat der Besten sein, doch unter dem Druck der Probleme entwickelte sie sich schnell zum Unterdrückungsapparat. Totale Überwachung der Menschen, sogar die Träume müssen gemeldet werden, Kontrolle der Fortpflanzungsfähigkeit über Beigaben zur Nahrung, ohne Wissen der Menschen selbstverständlich, ein obskures Gremium namenloser alter Männer. Es ist schon bedrückend, wenn dem Leser gesagt wird, wie es hätte sein sollen und was es geworden ist.
Und die Menschen verschließen sich vor der Erkenntnis, daß etwas nicht stimmt, daß ihre Mission immer schneller den Bach runter geht. Sie wollen es nicht wissen, bis auf einige natürlich. Miera zum Beispiel ist eine Besonderheit, älter als der Durchschnitt und eher von zurückgezogenem Charakter. Außerdem hat sie als einzige die Fähigkeit, die Traumbilder des Planeten zu empfangen. Natürlich gerät sie in Konflikt mit ihrer Umwelt und dem Zentrum, letztlich wendet es sich aber dann doch noch zum Guten. Der Kontakt mit dem planetarischen Bewußtsein wird etabliert und es ist abzusehen, daß sich die Menschen zumindest teilweise der metaphysischen Sphäre des neuen Planeten anpassen werden.
Die meisten Leser werden die Naturmystik der Autorin als die übliche pseudowissenschaftliche Erklärung eines SF-Romanes hinnehmen, mir war das allerdings etwas zu arg. Gut, die Einführung von Telepathen konnte ich noch akzeptieren, obwohl mir auch das zu unmotiviert kam, aber diese Erklärung? Die Autorin ist darin auch etwas widersprüchlich, denn erst begründet sie die Probleme mit einem zwar unklaren, aber noch vorstellbaren Einfluß des bewußten Planeten auf die Entwicklung von Leben. Später geht sie dazu über, der Biosphäre der Erde so etwas wie Lebenskraft zuzuschreiben, ohne die das Leben in der lichtjahreweiten Ferne nicht möglich sei. Ich hatte den Eindruck, daß es mit der ursprünglichen Variante plausibler war.
Erwähnt werden sollte auch, daß T. Plowright nicht versäumt, einige ökologische Schwerpunktfragen in Bezug auf die Erde aufzuwerfen. Die zerrüttete Ökologie ist es ja in erster Linie, die zum Aufbruch ins All zwingt. Als Miera auf einer Mission zur Erde zurückkehrt, erwartet sie fast, einen toten Planeten zu finden. So schlimm ist es zwar nicht, aber die Menschheit lebt jetzt etwa so wie die Ventura-Kolonie: unter Kuppeln, voller Angst vor der eigentlich noch recht verträglichen Umwelt. Eine Art Paranoia hat sich breitgemacht. Die Lösung sieht Plowright allerdings nicht mehr auf der Erde, sondern in der - gezwungenermaßen - neuen Form des Lebens auf Gaea. Fatalismus? Vielleicht, aber nicht ganz unberechtigt. 

SX 37

 

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