Terry Goodkind: Wizard's First Rule
Die
Erste Regel des Zauberers
Terry Goodkind: Wizard's First Rule
(Millennium 1994, 774 Seiten, £ 5.99)
Das Buch rettete mein Interesse für Fantasy, das sich in letzter
Zeit auf dem absteigenden Ast befand. Zwar hat es kaum Ähnlichkeit
mit dem wieder einmal zitierten Werk Tolkiens, aber das macht ja nichts.
Es ist für sich selbst gut genug, und vor allem spannend und unterhaltsam
genug, um die über 700 Seiten durchzuhalten.
Der Roman wird in diesem Jahr bei Goldmann erscheinen; wie es
scheint, in mindestens zwei Bänden. Leider läßt der Verlag
das Schlimmste hinsichtlich der Qualität befürchten. Es ist wirklich
schade, daß sich kein anderer gefunden hat, es zu veröffentlichen.
Die Story läßt sich recht bekannt an: Ein Land, das von
magischen Grenzen in drei Gebiete geteilt wurde. Nun brechen die Grenzen
langsam zusammen und ein böser Finsterling schickt sich an, die Welt
zu erobern. Darken Rahl, so heißt er bezeichnenderweise, braucht
dazu aber die drei Kästchen der Ordnung, die "ins Spiel gebracht"
werden müssen. Hat er das einmal getan, muß er am Ende einer
bestimmten Zeit ein Kästchen öffnen. Das kann seinen Tod, seine
Herrschaft über alles oder das Ende der Welt bedeuten. Um zu wissen,
welches das richtige Kästchen ist, braucht er das "Buch der gezählten
Schatten".
Ein bislang unbedeutender junger Mann ist auserkoren, das zu verhindern.
Jedenfalls soll er angeblich eine Chance haben. Richard weiß lange
nichts von seinem Schicksal, bis er im Wald eine junge Frau trifft und
rettet. Kahlan ist ausgezogen, um den letzten der großen Zauberer
zu finden, damit er Rahl stoppt. Der Zauberer Zedd ist Richards Freund,
doch er ist machtlos gegen den Bösen. Alles was er tun kann, ist,
Richard als den neuen Sucher zu proklamieren.
Nun beginnt, wie man es von Fantasy gewohnt ist, eine verschlungene
Quest, zunächst mit dem Ziel, das dritte Kästchen zu finden und
vor Rahl zu bewahren, danach, um ihn von der Vollendung seiner Pläne
abzuhalten. Die Beziehungen zwischen den Personen sind kompliziert, jeder
hat vor den anderen ein Geheimnis, das er hütet. Manche weiß
der Leser und windet sich vor Spannung, wann nun endlich.? Andere werden
überraschend aufgedeckt und geben der Handlung immer neue Wendungen.
Die Dynamik wird noch dadurch gesteigert, daß der Autor sich
nicht scheut, bis fast kurz vor den Schluß noch neue und wichtige
Charaktere einzuführen, die stellenweise sogar zu Handlungsträgern
werden. Richard selbst ist nicht nur ein wahrer Sucher, der mit der Magie
des Schwertes der Wahrheit umgehen kann, er ist viel mehr als das. Uralte
Prophezeiungen kommen ins Spiel. Auch Kahlan ist mehr als nur eine junge
Frau. Das weiß allerdings der Leser bald, und so fiebert man mit,
wann sie sich nun durchringen wird, Richard die Wahrheit über sich
zu sagen.
Die Handlung geht oft in sehr unerwartete Richtungen, die es nicht
zulassen, daß man vorausahnt, wie es weitergehen wird. Wenn eine
Hürde gemeistert ist, steht man plötzlich vor der nächsten.
Die Unentschlossenheit der Protagonisten, sich gegenseitig über alles
zu informieren, bringt sie wohl am meisten in Gefahr. Natürlich verlieben
sich Richard und Kahlan ineinander, aber wegen Kahlans Besonderheit können
sie nicht zueinander kommen - jedenfalls bis zum Ende. Das bietet jede
Menge Konfliktstoff, aber kaum Klischees. Der alte Zauberer Zedd erinnerte
manchmal an den Fizban aus den Drachenlanze-Romanen, aber auch ein wenig
an Gandalf (welcher Zauberer tut das nicht?).
Man muß allerdings sagen, daß der Roman nicht unbedingt
für Kinder oder zartbesaitete Gemüter geeignet scheint. Vor allem
in der zweiten Hälfte gibt es Beschreibungen von so unglaublicher
Grausamkeit, daß man kaum weiterlesen möchte. Nicht etwa so
etwas Primitives wie Schlachtengemetzel, nein, es geht um Folterungen,
die dazu dienen sollen, einen Menschen völlig zu zerbrechen. Manchmal
ist es dabei recht unglaubwürdig, wie Richard das alles überstehen
kann. Aber zum Nachdenken darüber kommt man als Leser nicht. Wieder
wendet sich das Blatt in eine völlig unverhoffte Richtung.
Die Erste Regel eines Zauberers taucht übrigens erst recht spät
im Buch auf, spielt dann aber immer öfter eine Rolle. Sie lautet kurzgefaßt:
Leute sind dumm. Mit genügend Motivation wird fast jeder alles glauben.
(S. 528)
Am Ende ist der Roman (ich meine damit nicht etwaige Goldmann-Hackstücke)
wirklich zuende, die Handlungslinien abgeschlossen, jedoch sieht es fast
so aus, als seien noch ein paar Dinge offengeblieben für eine Fortsetzung.
Die oben genannten Prophezeiungen deuten das an, und ein paar andere, sinnvoll
eingestreute Bemerkungen. Da Terry Goodkind laut Vorbemerkung an seinem
nächsten Buch schreibt, kann man nur hoffen, daß es bald kommt.
Ich werde niemandem empfehlen, sich die Übersetzung zu
kaufen, aber was bleibt einem anderes übrig? Dieses Buch ist wirklich
sehr gut, eine lohnende Lektüre für Leser guter Fantasy. Wenngleich
Marion Zimmer-Bradley sicher übertreibt, indem sie sagt, sie hätte
seit 1977 oder so nichts derartiges gelesen (ich weiß ja nicht, was
sie sonst so liest), es ist auf jeden Fall Fantasy der Spitzenklasse.
SX 65
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