Terry Pratchett: Eric
Terry
Pratchett: Eric
(Heyne 4953)
Das Buch wäre eine weitere Erzählung von der Scheibenwelt,
und allein deshalb zu empfehlen, wenn nicht... sich der Verlag, d.h. eigentlich
war es wohl der Autor selbst, sich diesmal etwas besonderes ausgedacht
hätte. Für den Leser seiner Werke gehören die Einbände
des Illustrators Josh Kirby einfach dazu. Sie passen zur Scheibenwelt.
Nun liegt ein Band vor, der nicht nur einen Einband des Zeichners bizarrer
Figuren hat, sondern auch noch sehr aufwendig von ihm illustriert wurde.
Eine große Zahl meist doppelseitiger Farbillustrationen macht dieses
Pratchett-Buch zu einem besonderen Genuß, und es ist völlig
gerechtfertigt, daß Kirbys Name auf dem Einband gleichberechtigt
neben Pratchetts steht.
Das Buch selbst hat wohl aus technischen Gründen ein für
Heyne etwas ungewöhnliches Format, welches man, wie ich glaube, Paperback
nennt. Daher erscheint es mit 154 Seiten etwas dünn, es heißt
ja auch nur Erzählung. Aber wenn man es liest, merkt man schnell,
daß es so schnell nun doch nicht geht. Scheinbar verteilt sich der
Text auf den großen Seiten nur besser. Wozu die Auslassungen über
technische Details? Irgendwie muß ich ja versuchen, den Preis von
DM 15.00 zu rechtfertigen. Und er ist gerechtfertigt! Wahrscheinlich
macht der Verlag mit dem Buch eher Minus, so aufwendig ist es mit seinen
Illustrationen und dem guten Papier üroduziert.
Beliebte Figuren von der Scheibenwelt begegnen uns in dieser Erzählung
erneut. Einer der Handlungsträger ist mal wieder der unfähige
Zauberer Rincewind mit seiner Truhe, der Tod taucht auf und etliche neue
Gestalten. So z.B. der Schöpfer selbst. Und natürlich Eric, ein
dreizehnjähriger Dämonologe, der den in den Kerkerdimensionen
gefangenen Rincewind beschwört und sich die Erfüllung seiner
faustischen (meist aber recht einseitigen) Wünsche erhofft.
Es scheint zunächst, daß Rincewind tatsächlich die
Macht hat, ihm diese Wünsche (mehr oder weniger) zu erfüllen.
Dann zeigt sich aber, daß hinter dem Funktionieren des Ganzen eine
Bande von Ränkeschmieden in der Hölle steckt, die das Geschehen
ausnutzen will, um den König der Hölle zu entmachten.
Es entfaltet sich eine turbulente Reise über die Scheibenwelt,
und durch die Zeit außerdem. Zurück zum scheibenweltischen Äquivalent
von Troja bis hin zum Ende (oder war es der Anfang?) des Universums. Natürlich
werden die drei Wünsche des Jungen nach Herrschaft über die Welt,
ewigem Leben und der schönsten Frau erfüllt, aber natürlich
auch nicht so, wie er sich das erhoffte.
Pratchett wäre jedoch nicht das, was er ist, würde er sich
mit einer albernen Satire auf Faust zufriedengeben. Sein Humor ist hintergründig,
zuweilen bitter und schwarz. Daß die Hölle reorgansiert wurde
und nun erst richtig höllisch ist - in der Art eines Verwaltungszentrums
etwa, ist da noch der kleinste Teil. Mit der Erfüllung der Wünsche
selbst zeigt Pratchett dem Leser, was bei solchen meist nie bedacht wird.
Die Verantwortung des Herrschers der Welt, den man mit dem Vorlesen einer
unendlichen Liste von Beschwerden zu Tode foltern will, die schönste
Frau, die nach einem dutzend Jahren Belagerung gar nicht mehr so schön
ist und eine Menge Kinder hat. Die Ewigkeit, die unsere Helden von Anbeginn
der Schöpfung an auskosten sollen, was ziemlich lange ist.
Und dann sind da noch solche Sätze wie: "Die Hölle benötigte
entsetzlich kluge und egozentrische Personen wie Eric. Sie waren zu weitaus
scheußlicheren Dingen fähig als der gemeinste Dämon." Oder
der Rat des Dämonenkönigs, von den Menschen zu lernen, um die
Hölle zu modernisieren, weil sie viel bessere Methoden erfinden, um
Leute zu quälen.
Viele Autoren versuchten schon, humorvolle Fantasy oder SF zu schreiben.
Douglas Adams hatte mit seinem "Anhalter..." Erfolg, aber er hätte
es dabei belassen sollen. Alan Dean Foster schaffte es, seinen sechsteiligen
"Bannsänger"-Zyklus so zu schreiben, daß man sich auch im letzten
Band nicht langweilt. Andere waren nicht so glücklich, und manch ein
Buch, das schnell und überschwenglich mit Werken der Meister des Genres
verglichen wird, ist einfach nur öde. Pratchett gelingt es immer noch,
der Scheibenwelt etwas abzugewinnen. Ein Grund dafür dürfte sein,
daß er sich nicht auf eine Quest einengt, die Bücher jeweils
für sich stehen und kaum einer über die Bücher hinaus zusammenhängenden
Handlungslinie folgen. Die Scheibenwelt ist außerdem so vielfältig
in ihren Möglichkeiten, daß Pratchett sie nicht so schnell ausschöpft
wie eine geradlinige Abenteuerhandlung. Trotzdem ist er bereits von ihr
weggegangen und hat die Nomen-Trilogie geschrieben, die ich an dieser Stelle
bereits empfehlen konnte. Ich würde Terry Pratchett auf seiner Spezialstrecke
zu den herausragendsten SF&F - Autoren der Gegenwart zählen. Von
ihm werden sicherlich keine Innovationen der hard core SF kommen (oder?),
aber im nicht ganz unkomplizierten Bereich der Humor-SF&F ist Pratchett
die Nummer Eins.
SX 35
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