Terry Pratchett: Interesting Times
Es gibt eine Verwünschung.
Sie sagen:
Mögest du in interessanten Zeiten leben.
(Corgi Books 1994, 352 Seiten, £ 4.99)
Pratchetts Bücher besitzen ihre eigene Magie. Wie sonst ist es
zu erklären, daß ein Buch, soeben mit der Post eingetroffen,
sich plötzlich in meinen Händen wiederfindet, wo ich doch eigentlich
gerade etwas ganz anderes lese? Bis 1.30 Uhr in der Frühe verharrte
es da, mich zu immer neuen Ausbrüchen von Gelächter verleitend.
Nun habe ich es geschafft und ich kann nur bewundernd den Kopf schütteln.
Dieser Mann ist einfach ein Genie!
Da das Buch demnächst auch auf dem deutschen Markt erscheinen
wird (Oder ist es schon raus? Ich komme da nicht mehr mit, seit Goldmann
die Publikation übernommen hat.) werde ich mich hüten, allzuviel
vom Inhalt zu verraten. Man kann es aber auch nicht besprechen, indem man
besonders witzige Textstellen zitiert - aus dem Zusammenhang gerissen,
ist dies einfach unmöglich. Manchmal bezieht sich Pratchett auf Sachen,
die er am Anfang beiläufig erwähnte, und erst dann ergibt eine
Bemerkung überhaupt einen Sinn. Wie immer verwendet er geniale Wortspiele
und treibt die Logik bis zum Absurden, wenn er Redewendungen ganz und gar
wörtlich interpretiert. Da ist es schwer, etwas herauszusuchen.
Zum Beispiel ist da ein "Schmetterling der Stürme". Das bezieht
sich zweifellos auf die Redensart vom Schmetterling, der irgendwo im Dschungel
mit den Flügeln schlägt und dadurch anderswo einen Sturm auslöst.
(Das mag keine besonders bekannte Redensart sein, es geht jedenfalls um
Kausalität.) Bei Pratchett ist das aber eine Schmetterlingsart, die
durch eine besondere fraktale Gestaltung der Flügel in der Lage ist,
tatsächlich Wetter auf winzigem Raum zu machen - eine Eigenschaft,
die ihr Überleben sichert. Nicht daß der Schmetterling für
das Buch wichtig wäre ... oder vielleicht doch?
Hauptperson ist aber Rincewind der Zauberer. Jawohl, er wird wieder
reaktiviert, ebenso Truhe, Cohen der Barbar und sogar der Tourist Zweiblum.
Letzterer hat über seine Abenteuer ein Buch geschrieben, "Was ich
in meinem Urlaub tat", welches im heimatlichen Imperium eine Art Rebellion
auslöste. Das Imperium wird von Pratchett als vage chinesisch beschrieben,
nur in jeder Beziehung übersteigert. Es ist vollständig von einer
Mauer umschlossen, um die Bewohner drinnen zu halten, besitzt eine verbotene
Stadt und rivalisierende Kriegsherren. Die rebellierenden Intellektuellen
träumen davon, daß eine mystische Rote Armee kommt, um sie zu
befreien - und ein Großer Zauberer, um sie anzuführen. Wer das
wohl sein mag?
Die pseudochinesische Kultur ist ein wahres Glanzstück Pratchetts.
Sogar die Rebellen sind höflich bis zum Umfallen. Er scheut auch nicht
davor zurück, einfach mal alle möglichen fernöstlichen Elemente
zu mischen. Stundenlange Teezeremonien und Samurais erinnern dann schon
mehr an Japan. Das Imperium wird auch als eine Reihe von Inseln beschrieben,
die dann in ein Festland übergehen. Zusammen mit dem Kontinent XXXX,
der eindeutig australisch ist, ergibt sich hier ein sehr irdisches Bild
der Scheibenwelt. Was ist dann Ank-Morpork? Ich fürchte, London. Auf
XXXX landet Rincewind übrigens am Schluß, so daß wohl
noch nicht aller Tage Abend ist.
Es ist völlig zwecklos, zu versuchen, noch mehr über dieses
Buch zu schreiben. Man muß es einfach selbst lesen. Freut Euch auf
"Interessante Zeiten"!
SX 74
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