Terry Pratchett: Men At Arms

Zu den Waffen!
Terry Pratchett: Men At Arms
(Corgi Books 1994, 380 Seiten, £ 4.99)


"Men At Arms" ist der 15. Roman von der Scheibenwelt. Der Titel bedeutet soviel wie Männer unter Waffen, und meint jedenfalls das Militär - in diesem Fall die Stadtwache von Ankh-Morporck. Ja, genau die Helden aus "Wachen! Wachen!". Aber nicht nur der von Zwergen adoptierte Karotte und seine Kameraden tauchen wieder auf, um neue haarsträubende Abenteuer zu bestehen, auch Figuren aus "Voll im Bilde" greifen in das Geschehen ein, z.B. der Wunderhund Gaspode und der Troll Detritus. Außerdem tauchen die Zauberer der Unsichtbaren Universität und der Patrizier auf. Der Tod tritt in gewohnter Manier auf, bemüht, es den Leuten schonend beizubringen, und immer höflich.
Pratchett hat mit diesem Scheibenwelt-Roman eine klassische Detektivgeschichte geschrieben. Morde geschehen und die Stadtwache (Nachtschicht) versucht, sie aufzuklären. Bis zum Ende bleibt undurchsichtig, wer der Täter ist, denn der Leser wird natürlich schön in die Irre geführt.
Ein gewisser Edward d'Eath (warum der Mann Death, also Tod, heißt, kommt allerdings nie raus), der ein Adliger aus Ankh-Morpork und zugleich Mitglied der Assassinen ist, verfolgt die fixe Idee, daß die Stadt wieder einen König braucht. Das war ja auch in "Wachen! Wachen!" schon ein Thema. Er meint, in Karotte einen Nachkommen der alten Könige erkannt zu haben, und versucht die anderen Adligen zu überzeugen, daß man ihn auf den Thron setzen müsse. Was diese allerdings ablehnen.
Es scheint, daß Edward sich dann selbst an die Arbeit macht - aber es scheint nur so. Jedenfalls stiehlt jemand auf spektakuläre Weise einen Gegenstand aus dem Gildenhaus der Assassinen, der sich später als "Die Gonne" entpuppt. Das ist natürlich ein Gewehr (gun), das der geniale Erfinder Leonardo of Quirm gebaut hatte. Ich glaube, das ist schon mal irgendwo erwähnt worden, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, in welchem Buch von der Scheibenwelt. Das Gewehr, das einen eigenen Willen hat, fängt an, durch seinen Besitzer Leute umzubringen. Alles ist sehr rätselhaft, denn man fragt sich, wie dieser Terror zur Einsetzung eines Königs führen soll.
Die Wache, in die aus ethnischen Gründen nun auch Zwerge, Trolle und Werwölfe aufgenommen wurden, bemüht sich nach Kräften, den Morden auf den Grund zu gehen.
Vor dem Hintergrund dieser Geschichte widmet sich Pratchett, wie so oft, durchaus realen Problemen, diesmal gleich im Paket. Ich erwähnte diesen Umstand wohl schon in früheren Besprechungen. Ihm geht es nicht um Humor, um des Spaßes willen, sondern er hat seinen Lesern immer noch etwas damit zu sagen, worüber es sich nachzudenken lohnt. Manchmal sind diese Dinge in einem ganzen Handlungsstrang enthalten, manchmal auch nur in einer Fußnote.
Das Gewehr, das allein durch seine Existenz den Besitzer drastisch verändert und zum skrupellosen Killer werden läßt, ist schon deutlich genug. Allerdings benutzen auch die "Guten" Waffen - Corporal Nobbs scheint ein richtiger Waffennarr zu sein. ("Manchmal ist es besser, einen Flammenwerfer zu entzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen.")
Viel Aufmerksamkeit widmet der Autor auch der Frage des Rassismus. Heißt die Sache hier auch Spezieszismus, so ist es doch das gleiche. Es beginnt damit, daß zwecks Quotenregelung ein Zwerg und ein Troll in die Wache aufgenommen werden. Die Kollegen der Wache überwinden ihre Vorurteile schnell, aber andere ethnische Konflikte bahnen sich in der Stadt an. Ein Troll wird wegen eines der Morde (von der Tagschicht) verhaftet, obwohl er ihn unmöglich begangen haben kann, einfach nur, weil er ein Troll ist. Die Intentionen des Autors sind wiederum sehr deutlich.
Neben der Kriminalhandlung nimmt Pratchett aber auch das oft glorifizierte Militärleben ganz schön auf die Schippe. Die Wache ist ja in Ankh-Morpork das, was einer Armee am nächsten kommt. Aus dem schlampigen Haufen in "Wachen!." ist inzwischen eine pflichtbewußte Polizeitruppe geworden, die ihrem scheidenden Hauptmann gar eine goldene Uhr zum Abschied schenkt.
Das Buch ist wieder voll von Wortspielen und Fußnoten, bei denen ich mehr als einmal laut auflachen mußte. Außerdem ist es im Rahmen der Detektivgeschichte sehr spannend. Karotte scheint übrigens tatsächlich der Erbe des Königtums zu sein, aber er hütet sich, den Thron zu besteigen oder es auch nur zuzugeben. Bei der Wache gefällt es ihm besser.
Es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis man dieses Buch auch auf Deutsch lesen kann. Goldmann ist ja nur drei Romane im Rückstand (Small Gods, Lords and Ladies und Men At Arms). Ich habe mich aber entschieden, auch hier auf die Originale zurückzugreifen, obwohl es etwas teurer ist. Pratchetts Sprache ist es wert.
  

SX 58

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

David Gerrold: Inmitten der Unendlichkeit

Jack McDevitt: Die Küsten der Vergangenheit

Piers Anthonys Xanth