Terry Pratchett: Strata
Terry
Pratchett: Strata
(Heyne 4911)
"Strata" ist der zweite Roman Pratchetts, den der Heyne-Verlag von Goldmann
übernommen hat. Dort erschien er 1983 unter dem Titel "Strata oder
die Flachwelt". Pratchett brachte ihn 1981 heraus. Damit liegt er zeitlich
vor den Romanen von der Scheibenwelt, er gehört aber nicht zu ihnen.
Das muß man wissen, denn sowohl der Titel als auch die Aufmachung
irritieren hier etwas. Man könnte meinen, daß "Strata" ein weiterer
Roman von der "bizarren Scheibenwelt" ist, wenn man die Umschlaggestaltung
von Josh Kirby sieht und etwas von einer flachen Welt liest.
Das Buch ist der Science Fiction zuzuordnen, nicht etwa der Fantasy.
Es ist wahrscheinlich durchaus ernsthaft gemeint, wenn auch eine Reihe
der üblichen Pratchett-Gags auftauchen und den Text auflockern.
Scheinbar handelt das Buch in einer fernen Zukunft, in der sich die
Menschen u.a. damit beschäftigen, Welten zu konstruieren. Eine solche
Konstrukteurin namens Kin Arad wird von einem geheimnisvollen Mann eingeladen,
eine flache Erde zu besuchen, die dieser entdeckt zu haben behauptet. Zusammen
mit zwei Angehörigen zweier Fremdrassen macht sie sich auf den Weg.
Sie alle leben in einem seltsamen Universum, in dem sich Zivilisationen
auf ihrem Höhepunkt anscheinend immer damit befassen, Planeten oder
Sterne zu erschaffen, umzugestalten und zu kolonisieren. Alle Archäologie
und Paläontologie ist auf dem Holzweg, was man da auch immer fand,
ist künstlich. Manchmal können die Bediener der Stratamaschinen
der Versuchung allerdings nicht widerstehen, und bauen irgendeinen Witz
ein, wie etwa Goldplomben in den Zähnen eines Neandertalers oder Gebirgszüge
in Form von Monogrammen. In Nachfolge mindestens zweier anderer konstruierender
Zivilisationen beschäftigt sich nun die Menschheit mit dem Planetenbau.
Die drei Reisenden kommen auf der tatsächlich existierenden Scheibenwelt
ziemlich unsanft an, sie stürzen nämlich ab, und betrachten erstaunt
dieses Wunder der Technik. Denn Technik ist es, ganz im Gegensatz zu der
uns bekannten Scheibenwelt des Fantasy-Zyklus'. Vielleicht hat Pratchett
hier von der "Ringwelt" ein wenig abgekupfert, aber vielleicht auch nicht.
Wenn man so etwas beschreiben will, muß es zwangsläufig zu Parallelen
kommen. Erstaunlicherweise ähnelt diese Welt der Erde im frühen
Mittelalter, sie begegnen historischen Gestalten wie z.B. Erik dem Roten
und seinem Sohn Leif. Es ist ein kleiner Mangel, daß nicht geklärt
wird, warum gerade diese Figuren auftauchen.
Wie man es von Helden eines Buches in einer solchen Situation erwarten
sollte, machen sie sich auf die Suche nach den "Herren der Scheibenwelt".
Auf der Ring- oder auch Flußwelt verfährt man ja genauso. Sie
finden nur noch Computer, die es Kin Arad aber letztlich ermöglichen,
das Rätsel um die flache Erde zu lösen - das des Universums gleich
mit - und ihnen eine Rückkehrchance zu geben. Dieser letzte Teil des
Buches fällt etwas gegen den Rest der Handlung ab, weil die Situation
(inzwischen) schon ziemlich schablonenhaft geworden ist: Held findet in
verlassener Konstruktion einer Superzivilisation die Kommandozentrale,
setzt einen Helm auf und übernimmt die Kontrolle, was zur Rettung
führt.
Die Auflösung des Rätsels reißt allerdings alles wieder
herum. Ich werde sie hier natürlich nicht verraten.
Einige Merkwürdigkeiten bleiben jedoch offen, sehr zur Mystifizierung
des Lesers (sagt man so?) beitragend. Kin Arad bezieht sich z.B. auf eine
Stadt Rem, nicht Rom - die Scheibenweltler aber sprechen von Rom! Man hat
den unbehaglichen Eindruck, als sei die Scheibenwelt unsere Erde, und Kin
Arad von einer anderen Welt. Vielleicht wollte Pratchett seine Leser wirklich
nur etwas verunsichern.
Da der Entstehungszeitpunkt des Romans noch vor dem ersten Fantasy-Scheibenweltbuch
liegt, kann man sicher sagen, daß "Strata" die Grundidee der Scheibenwelt
enthält, die von Pratchett später abgewandelt wurde. Allerdings
erschöpfen sich die Ähnlichkeiten in einigen prinzipiellen Dingen.
Weder ist da eine Schildkröte noch existiert Magie. Die SF-Scheibenwelt
ist eigentlich ein überdimensional großes Raumschiff.
Trotz gewisser Schwächen ist auch "Strata" ein Buch, das man sehr
gut lesen kann. Es zeigt, daß Pratchett auch SF schreiben konnte,
bevor er sich seinem (bisherigen) Hauptwerk zuwandte. Da der Heyne-Verlag
einen neuen Zyklus angekündigt hat, den Nomen- oder Trucker-Zyklus,
darf man gespannt sein, was es diesmal sein wird. SF oder F?
Auf jeden Fall ist es eine Empfehlung, Pratchett als den Autor zu wissen.
SX 32
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