Tom Dowd: Nuke City

Shadowrun 18
Tom Dowd: Nuke City
(Heyne 06/5354)


Tom Dowd, selbst schon gestandener Shadowrun-Autor, nimmt den Faden da auf, wo ihn Nigel Findley, der 1995 starb, fallenlassen mußte. Er kümmert sich in seinem neuen Buch um eine der gefährlichsten Bedrohungen, vor der die Welt im Jahre 2055 steht: die sogenannten Insektengeister. Eingeführt wurden sie von Findley in "2XS", auch in seinem letzten Buch, "Haus der Sonne" spielen sie eine Rolle.
Die Insektengeister verkörpern jene in der SF oft aufgegriffene Angst vor dem Kollektivbewußtsein, der zwangsweisen Gleichschaltung und Übernahme der Menschen. Leider ist es für Autoren immer recht einfach, das staatenbildende Insekt als den Feind zu wählen, und so ist es durch Abnutzung schon wieder zum Klischee geworden. Die kleinen Krabbelviecher sind den meisten Leuten ohnehin schon unsympathisch, und wenn man sie außerdem auf Menschengröße aufbläst und mit einer unverständlichen, unheimlichen Intelligenz ausstattet, ist das perfekte Monster fertig. Nur sehr wenige Autoren - wie z.B. A. D. Foster - gingen bisher einen umgekehrten Weg.
Nun gut, so hat auch Shadowrun seine Bedrohung durch die Insekten. Als ob es nicht schon genug Probleme zwischen den Megakonzernen, den Konzernen und den Shadowrunnern und zwischen den einzelnen "erwachten" Rassen gäbe! Trotz aller Gegenmaßnahmen von Regierung und privaten Sicherheitstruppen haben sich die Insektengeister offenbar ausgebreitet. Zeitweise unterhielten sie sogar eine Art Sekte, um Menschen anzulocken und gleichzuschalten. Sie vermehren sich nämlich durch Übernahme von Menschenkörpern.
In Chicago, wo sich das größte Nest befindet, wie man feststellt, verschwindet im Zusammenhang mit der Sekte der Sohn eines Konzernchefs, der daraufhin den Magier Kyle Teller anheuert, um ihn zu suchen. Kyle, der Hauptheld des Romans, stößt bei seiner Suche nach dem Jungen auf die von der Regierung verheimlichten Insekten und gerät in eine heftige Auseinandersetzung zwischen Konzerntruppen und den Geistern. Im Ergebnis dieser katastrophalen Schlacht wird eine taktische Nuklearwaffe in Chicago gezündet, was für Shadowrun durchaus eine Neuheit ist.
Ich verrate damit nicht viel mehr, als der deutsche Titel und das Titelbild dem potentiellen Leser schon sagen. Die ausnahmsweise einmal sehr geradlinig erzählte Handlung wäre vielleicht noch ein wenig spannender gewesen, wenn nicht durch das Bild von Anfang an festgestanden hätte, daß die Insekten ihre Klauen im Spiel haben.
Teller folgt den Spuren des Jungen, der sogar gefunden wird, aber inzwischen von den Ereignissen bedeutungslos gemacht wurde. Er trifft auf einen Insektengeist in Menschengestalt, der ihm versichert, auf seiner Seite zu stehen. Leider verfolgt der Autor diese Handlungslinie dann nicht weiter, so daß am Ende ungeklärt bleibt, was es denn mit diesen "Gottesanbeterinnen" auf sich hat. Als man den Bau der Insekten angreift, kommt es zu einem Ausbruch der Geister, dem das Militär nicht gewachsen ist. Chaos bricht aus und Chicago wird total abgeriegelt. Teller schafft es schließlich mit einer kleinen Truppe Überlebender, zu verhindern, daß das ganze Gebiet mit einem tödlichen Nervengift besprüht wird, indem sie eine 0,5 kt Atombombe im Nest zünden. Das scheint eine recht fragwürdige Lösung zu sein, aber in der verzweifelten Lage wohl die einzige. Zum Glück bleibt die befürchtete Verstrahlung aus, da die Bombe... Aber halt! Alles kann ich ja nun doch nicht erzählen, sonst bekomme ich Ärger.
Was ich noch nicht erwähnte, sind die persönlichen Beziehungen des Magiers, die recht gut herausgearbeitet wurden. Da gibt es seine Ex-Frau, eine andere Frau (natürlich) und vor allem seinen Geisthelfer, der eine sehr interessante Gestalt darstellt. Keine trivialen Dreieckskonflikte werden beschworen, sondern wirklich ein Beziehungsgefüge, das man im Laufe der Handlung mit Interesse verfolgt.
Der Roman handelt übrigens diesmal überhaupt nicht im Milieu der Shadowrunner, sondern in eher offiziellen Kreisen. Das tut der Spannung aber keinen Abbruch, man kann sich wie immer in dieser Serie mitreißen und fesseln lassen.

Burning Bright, (c) by FASA 1994, übersetzt von Christian Jentzsch 1995, 370 Seiten, DM 14.90 

SX 70

 

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