Tom Holt: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat.

Tom Holt: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
(Heyne 06/5326)


Holt scheint Romane des Genres humoristische Fantasy (fun fantasy oder einfach funtasy) am Fließband zu produzieren. Immerhin ist das schon der fünfte von sieben, wenn man die beiden historischen, die auch in der Reihe erschienen, nicht mitrechnet. Man kann kein eigentliches Handlungsmuster erkennen, das sich in den Romanen wiederholen würde, aber dennoch sind sie sich irgendwie ähnlich. Sogenannte normale Menschen werden mit dem Übernatürlichen, dem Phantastischen konfrontiert, allerdings auf ungewöhnliche Weise. Und die Welt, wie wir sie kennen, ist ganz selbstverständlich nicht das, was wir vermuten oder gewöhnt sind. Religiöse Elemente kommen bei Holt oft vor, aber Gott ist da z.B. ein verbissen schuftender Typ an einer Werkbank oder - wie hier - jemand, der am achten Tag seine Anwälte anruft.
Oft kommt auch das Element der Bürokratie im weitesten Sinne vor. Entweder die Helden "entstammen" ihr, oder sie hat eine andere Bedeutung.
Nun, das wäre alles, was mir zu Gemeinsamkeiten Holtscher funtasy einfällt. Zuerst schien es, als arbeite er sich durch eine Reihe von Mythen systematisch durch, aber dann plötzlich wandte er sich anderen Themen zu. Diesmal ist es u.a. die Zeitreise. Der Roman heißt im Original "Overtime", was Überstunden heißt, aber kaum Bedeutung hat. Überstunden werden überhaupt nur einmal erwähnt. Der deutsche Titel ist also gar nicht so schlecht.
Man stelle sich eine beliebige Tür vor, an der etwas dransteht wie "Unbefugten Betreten Verboten!" oder so. Vor allem in Ämtern soll es diese Türen geben, die natürlich in ein Tunnelsystem durch die Zeit führen: ein Komplott von Generationen der Bürokratie. Und dann gab es noch Richard Löwenherz, der vom Antichristen entführt wurde, weil er den Weltfrieden wollte. Richard, nicht der Antichrist.
Wie hängt das alles zusammen? Keine Ahnung, auch nach Holts Buch bin ich nicht wesentlich schlauer geworden und leider klappte das mit den Türen heute auch nicht. Jedenfalls schwor ein gewisser Barde namens Blondel seinem King, ihn überall zu suchen, sollte er mal entführt werden. Dieser Mensch hetzt nun seit Jahrhunderten durch Raum und Zeit, um genau das zu machen. Hauptgestalt des Romans ist allerdings die unglückselige Gestalt Guy Goodlet. Der ist anfangs britischer Pilot im zweiten Weltkrieg und lernt Blondel auf höchst mysteriöse Weise kennen. Außerdem ist er ein ziemlicher Volltrottel, der nicht einmal schießen kann - er trifft prinzipiell nur Hüte. Mit ihm stolpert der Leser nun quer durch die Zeit, ohne ein bestimmtes Ziel und Konzept, manchmal verfolgt und gejagt, mehrfach (im Dunkeln) an König Richard vorbei und immer weiter.
Mir war einerseits der "Held" ein _ zu anti, will sagen, mir paßte seine unlogische Blödheit nicht zum Rest des Buches. Andererseits löste sich der Schluß nicht in Wohlgefallen, sondern im Chaos auf. Bei Zeitmanipulationen wohl sogar legitim.
Klar, es gibt lustige Stellen, absurde Verdrehtheiten und Wortspiele (?) im Buch. Aber die Story ist ziemlich dünn und weit hergeholt. Möglicherweise fehlten mir auch ein paar historische Grundkenntnisse zum kompletten Verständnis. Kreuzzüge, Päpste und Gegenpäpste. was davon Anspielung auf reales Geschehen war, blieb mir verborgen. Genau wie der Inhalt französisch belassener Liedtexte, die vielleicht sogar etwas bedeuteten. Ist ja irgendwo kulturvoll, aber was soll der Leser damit?
Dem Buch fehlt meiner Meinung nach ein zentraler Punkt, den weder der von cleveren Anwälten quer durch die Zeit vermarktete Sänger Blondel bietet, noch der rattenzüchtende Richard Löwenherz und schon gar nicht Guy Dumpfbacke. Es kann sicher nur einen Arthur Dent geben, und an den reicht Guy Goodlet lange nicht heran.
Klingt ganz so, als wollte ich das Buch verreißen. So schlimm würde ich es aber dann doch nicht sehen. Es ist nicht besonders gut, aber sicher gibt es schlechteres. Man kann schon lachen, und wenn es nur über Holts verdrehte Einfälle ist, die vor nichts Halt machen.
Gott hat also seine Anwälte angerufen, am achten Tag. Besser, es wäre die Müllabfuhr gewesen. Aber wer gibt schon gern seine Fehler so offen zu?

Overtime, (c) Tom Holt 1993, übersetzt von Kalla Wefel 1995, 347 Seiten, DM 14.90 

SX 67

 

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