Tom Holt: Wer hat Angst vor Beowulf?

Tom Holt: Wer hat Angst vor Beowulf?
(Heyne 06/5059)


Die Aufmachung des Buches (Andreas Reiner) animiert nicht gerade zum sofortigen Kauf, jedenfalls mich hätte sie nicht dazu gebracht, wenn ich nicht schon gehört hätte, daß Tom Holt das neue Talent auf dem Gebiet der Fun-SF & F sei. Man handelt ihn gar schon als Pratchett- und Adams-Nachfolger. Ob diese Vorschußlorbeeren gerechtfertigt sind, wollte ich herausfinden. Und natürlich, warum es das 20. Jahrhundert überhaupt gibt - das zu enthüllen, wird auf dem kleinen Rückentext versprochen.
Eine schlüssige Antwort auf diese Frage fand ich zwar nicht, dafür aber sehr gute und spaßige Unterhaltung. Die Lorbeeren sind gerechtfertigt. Man kann Tom Holt durchaus mit den führenden Vertretern dieser Unterabteilung der SF & F, die sich selbst nicht so ganz ernst nimmt, auf eine Stufe stellen. Er schreibt keine Blödeleien von der Art "Der Herr der Augenringe" oder "Der Wüste Planet" sondern tatsächlich eine Geschichte, die nur sehr witzig erzählt wird.
Eine Archäologin namens Hildy, die sich besonders für die Wikinger begeistert, findet in einem schottischen Hügelgrab, zu dem sie gerufen wird, ein Langschiff der Vorfahren. Kurz darauf steigen auch die Besatzungsmitglieder, die sie aus ihren 1200 Jahre langen Schlaf geweckt hat, ans Tageslicht. Hildy erfährt von König Rolf und seinen Mannen gar erstaunliches über die Vergangenheit, in der sie sich gut auszukennen glaubte. Aber nicht die Erleuchtung der heutigen Menschheit ist das Ziel der bärtigen Gestalten, sondern die Rettung derselben vor einem bösen Zaubererkönig, der auch irgendwie die Zeit überdauert hat.
Die Handlung ist eine übliche Quest, wenn auch im heutigen England. Hildy und ein paar der Wikinger suchen den Zauberer in London - wo er ein Firmenimperium leitet, der Rest der Truppe hat in den schottischen Bergen ein paar Probleme mit der Polizei. Ach ja, zwei Geister sind auch mit von der Partie. Angereichert wird das Ganze jedoch vom Humor des Autors. Die Methode heißt Anachronismus und Absurdität. Wenn die Wikinger sich ohne weiteres in der modernen Zeit zurechtfinden und Hildy kurzerhand erklären, daß ihre so fortgeschrittene Technologie für sie nichts weiter ist als die weiterentwickelte Magie ihrer Zeit, dann sorgt das schon für Effekte. Die Wikinger - von Hildy in einheitliche graue Anzüge gekleidet, was sie in den Verdacht geraten läßt, dem CIA anzugehören - behaupten sich mit Schwert und Speer mühelos gegen Polizei und Antiterroreinheiten. Kein Wunder, denn im Herumprügeln waren sie zu ihrer Zeit Meister. Das Rätsel, was mit den Daten bei einem Computerabsturz passiert, wird übrigens auch gelöst: Der böse Zauberer klaut sie sich.
Die Helden siegen natürlich, wenn auch nicht auf die übliche Weise. Kein blutiges Armageddon (oder müßte das Ragnarökk sein?), sondern ... aber nein, ich erzähle doch nicht alles. Am Ende gehen die Wikinger in Walhalla ein - und senden Hildy eine Ansichtskarte von dort.

["Who's Afraid Of Beowulf?" Tom Holt 1988, übersetzt von Kalla Wefel 1993, 284 Seiten, DM 10,90]

SX 46


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