Victor Milán: CLD - Collective Landing Detachment
Victor Milán: CLD - Collective Landing Detachment
(Avon Books 1995, $ 5.50, 298 Seiten)
Hier ist mal was für die Freunde der militärischen SF. Wer
es noch nicht weiß: Das ist inzwischen ein ganzer eigener Zweig,
ein Subgenre. Hierzulande ist diese Art SF wohl noch nicht so verbreitet,
wie sie in Amerika zu sein scheint. Mir fällt auf Anhieb der Barrayar-Zyklus
von L. McMaster Bujold ein, dann natürlich Gordon R. Dicksons Dorsai-Zyklus.
Harmloses Zeug, möchte ich nach der Lektüre des vorliegenden
Buches sagen. Offensichtlich sind dem deutschen Leser die härteren
Sachen bisher erspart geblieben - oder habe ich sie nur nicht gelesen?
"CLD" ist hart, brutal und stellenweise ziemlich abstoßend. Kaum
eine vorstellbare Abscheulichkeit wird ausgelassen. Dabei ist nicht ersichtlich,
was uns der Autor eigentlich sagen will. Ich zweifle daran, daß er
die Schrecken des Krieges anprangern möchte. Aber es geht Milán
auch nicht um Gewaltverherrlichung. Vermutlich muß man Kampf und
Gewalt bei dieser Art SF einfach als das hinnehmen, was sie sind: dazugehörig
und Mittel zum Zweck der Unterhaltung des interessierten Lesers.
Die Erde ist längst verloren in der Welt, in die uns der Autor
schleppt. Nur indirekt wird mitgeteilt, daß ein langer Weltkrieg
dabei eine Rolle spielte. Offensichtlich floh eine größere Gruppe
von Menschen von der Erde, die dann das gegenwärtige Sternenreich
begründete. Und das ist ein orwellianischer Alptraum der schlimmsten
Sorte! Im Namen des "Historischen Prozesses" und anderer Phrasen erobert
die gleichgeschaltete Menschheit die Galaxis. Abweichler und auch einfach
unschuldige Opfer werden dazu verurteilt, als Kanonenfutter in diesem galaktischen
Feldzug zu dienen. Das ist das CLD. Nach einer Ausbildung, die weniger
als die Hälfte überleben (intern "der Fleischwolf" genannt),
setzt man diese Schocktruppen dazu ein, fremde Planeten zu unterwerfen,
bzw. in das "Stellar Collective" einzugliedern. Sinn der Sache ist in erster
Linie aber, die Leute zu verheizen.
Das Buch handelt nun von einer kleinen Einheit, die zusammen mit anderen
auf einem Planeten abgesetzt wird, den primitive, vogelartige Wesen bewohnen.
Die "Rooks" sind jedoch so primitiv nicht und sie setzen sich mit verbissener
Wildheit gegen die Eindringlinge aus dem All zur Wehr. Schon bei der Landung
geht etwas schief, so daß die Truppe um Leutnant Mir auf sich allein
gestellt und praktisch gestrandet ist. Es sollte auch erwähnt werden,
daß nichts auf dem Planeten für Menschen eßbar ist...
Verständigung mit den Rooks gibt es nicht. Auf beiden Seiten ist
da nur blindwütiger Haß - bei den Vögeln allerdings verständlich.
Die CLDs kämpfen, weil ihnen nichts anderes übrigbleibt. Das
größte Grauen erleben sie aber, als sie auf Ihresgleichen stoßen.
Es braucht nicht erst diesen Teil, um dem Leser zu zeigen, wie abartig
die menschliche Gesellschaft ist, die der Autor beschreibt. Er deutet an,
sie sei aus kommunistischen Wurzeln entstanden, wie ja auch Orwell es getan
hat. Der Name des Autoren läßt vermuten, daß er eigene
Erfahrungen mit diesem Gesellschaftssystem haben könnte. Das beschriebene
Staatsgebilde ist aber zu weit von der Realität entfernt, um beim
Leser etwas anderes als entsetzte Verwunderung zu bewirken. Offensichtlich
dient die Phraseologie der Herrschenden nicht nur dazu, Ausbeutung und
Unterdrückung zu kaschieren, sie glauben sogar selbst an das, was
sie verbreiten. Und auch in höchsten Positionen sind sie nicht vor
den Auswirkungen der Machtkämpfe gefeit. Leutnant Mir ist nur deshalb
zum CLD gekommen, weil sein Vater - ein hoher Minister - mit falschen Anschuldigungen
gegen seine Tochter aus dem Amt gedrängt wurde. Sippenhaft und -hinrichtungen
sind hier an der Tagesordnung.
Im Wesentlichen dreht sich die Handlung um diverse Kämpfe gegen
die Rooks, in die die Männer verwickelt werden, als sie auf dem Planeten
vorrücken. Daneben werden ihre Beziehungen untereinander dargestellt,
die sie als extreme Individualistten erscheinen lassen - bemerkenswert
in einer Gesellschaft, in der Individualität ein todeswürdiges
Verbrechen darstellt. Aber zum Tode verurteilt sind sie ja ohnehin alle.
Milán vermeidet das in der Militär-SF gängige Klischee
vom Offizier, der sich die Anerkennung seiner Truppe erkämpft und
es so zu Großem bringt. Mir wird zwar mit der Zeit auch mehr oder
weniger akzeptiert, aber dieser Umstand steht nicht so sehr im Vordergrund.
Das Buch ist sehr düster, es gibt nicht den kleinsten Hoffnungsschimmer,
daß sich für die Menschen irgend etwas ändern könnte.
Die paar Überlebenden des CLD werden am Schluß gerettet, aber
wohin bringt sie das? Wieder in die Gewalt der gleichen Unmenschen, die
sie zum Tode in dieser oder der nächsten Schlacht verurteilt haben,
und die nicht einmal davor zurückschreckten, die CLDs als Schlachtvieh
im wörtlichsten Sinne zu gebrauchen.
SX 74
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