Wolfgang u. Heike Hohlbein: Die Heldenmutter
Wolfgang u. Heike Hohlbein: Die Heldenmutter
(BL 20130, 1985/89, 589 Seiten, DM 10.-)
Da Herr Hohlbein wohl der bekannteste deutsche Fantasy-Autor ist, dachte
ich, es sei an der Zeit, einmal etwas von ihm zu lesen. Noch dazu, wo mir
das Buch empfohlen worden war. Es stand ja auch schon lange genug im Regal,
ob seiner Dicke argwöhnisch betrachtet. Nun habe ich es also geschafft.
Die Heldin namens Lyra ist ein "einfaches Bauernmädchen", genauer
gesagt, die Sklavin eines Bauern, wenn er sie auch nicht ganz so in der
Art der Sklavenhalter behandelt. Am Anfang des Buches ist sie die "typische"
ignorante Frau, die Zeit ihres kurzen Lebens nichts anderes gesehen hat
als den Bauernhof in seinem abgeschiedenen Bergtal. Um so erstaunlicher
- ich möchte gern das Wort "unglaubwürdig" vermeiden - ist dann
ihre spätere Entwicklung. Dann bricht aber die äußere Welt
in Gestalt einer gejagten Elfenkönigin und ihres barbarischen Geliebten
in ihr Leben ein.
Lyra bekommt das neugeborene Kind der Elfe aufgehalst, nachdem ihr
eigenes - fast möchte man sagen, passenderweise - bei der Geburt starb.
Die Elfe und der Barbar und der ganze Hof sterben nämlich auch. Ursache
sind die Eisenmänner, Krieger der sogenannten Goldenen, welche den
Hof überfallen und alles niedermachen, was gerade zu Hause ist. Lyra
ist es nicht und überlebt. Kurz darauf trifft sie Dago, einen Zauberer,
der sie zu den Zwergen bringt.
Natürlich ist das Elfenkind etwas Besonderes, nämlich der
seit tausend Jahren erwartete Messias, der die Herrschaft der Goldenen
beenden soll. Man rüstet flugs zur Revolution, ungeachtet der Tatsache,
daß der Knabe erst ein paar Tage alt ist...
Nun greift sich Lyra die magische Rüstung samt Zauberschwert,
die eigentlich für den Heldensohn bestimmt ist, und schwingt sich
zum Führer der Revolte auf, um ihm das Schicksal zu ersparen, das
ihn scheinbar erwartet. Ein gigantisches Heer wird aufgestellt und man
marschiert zum Herz des Bösen. Anscheinend fehlte seit tausend Jahren
nur der richtige Kommandeur, damit die Goldenen angegriffen werden konnten.
Bis der letzte der sieben Bösewichter fällt, dauert es lange,
und es kostet enorme Opfer. Pausenlos toben Schlachten über die Seiten,
fallen die Helden reihenweise. Dann steht der Sieg bevor und Lyra muß
erkennen, daß alles ziemlich sinnlos war. Der Sieg der Revolution
besteht nicht in der Vernichtung des letzten Goldenen, sondern im Niederlegen
der Waffen.
Was sagt uns nun dieses Buch? Zunächst ist es ein typisches S&S-Werk,
das nur so strotzt von Kämpfen mit Schwert und Magie. Damit läßt
es wenig Raum für irgendwelche Botschaften und Philosophien. Daß
statt eines Conans eine mütterliche Frau die Heldin ist, spielt kaum
eine Rolle, da sie sich von einem männlichen Kriegerhelden in ihren
Handlungen nur unwesentlich unterscheidet. Höchstens ihre Motivation
ist etwas Besonderes, weil sie entgegen ihrer Überzeugung zu Rüstung
und Schwert greift, um ihren Sohn (der gar nicht ihrer ist) zu retten.
Am Ende stellt sich jedoch heraus, daß selbst dies nicht wirklich
der Grund war, wenn die Autoren dann um des Effektes willen noch einmal
alles umdrehen.
Die Hintergründe der Handlung bleiben seltsam unscharf. Da ist
irgendein "Land", das unter der Herrschaft der Goldenen scheinbar leidet.
Weiter wird eigentlich nichts über die Welt gesagt. Es gibt Menschen,
Zwerge, Barbaren und Elfen; aber das ist auch alles, was man zu diesem
Punkt erfährt. Doch auch die Bösen werden kaum charakterisiert.
Bis zur Erklärung durch einen von ihnen bleibt unklar, wer oder was
sie nun sind. Manchmal sprechen die Autoren von ihnen als Magiern, dann
wieder sind es Götter. Auch der eigentliche Hauptwidersacher Lyras
bleibt diffus. Die Riesenstadt, die man am Schluß einnimmt, ist aus
irgendeinem Grunde "eine Stadt der Gewalt". Das reicht, damit sie vernichtet
werden muß? Ich hätte mir eine anschaulichere Begründung
für den Kampf gegen die Goldenen gewünscht.
Man erkennt allerdings das Bemühen der Autoren um eine kritische
Haltung zu Krieg und Gewalt. Selbst Lyra, die Heerführerin, ist nur
ein Werkzeug, eine Waffe, die andere benutzen, um ihre eigenen Ziele zu
erreichen. Das weiß sie, und es hilft ihr wohl auch, das Ende zu
überleben. Um die reichlich dünn gezeichnete Herrschaft der Goldenen
zu beenden, wird das Land im Blut ertränkt - es ist zwar eine Unterdrückungssituation
gegeben, aber dieser Krieg ist andererseits der erste seit tausend Jahren!
(Man fragt sich, wie dann noch ein Mensch die Kampfkunst beherrscht.) Alles
in allem erscheint dieser ganze Feldzug mit seinen Opfern und Leiden am
Ende als sinnlos.
Vom Stil her ist der dicke Roman erst im zweiten Teil spannend zu nennen.
Zu Anfang streckt sich der Text doch ein wenig in die Länge. Aber
sicher ist das Buch deshalb noch nicht langweilig. Für den Bereich
der low fantasy bzw. S&S ein ganz guter Roman. Nur für unterwegs
ist er etwas unhandlich...
SX 47
Kommentare
Kommentar veröffentlichen