Zach Hughes: Sonnentrinker

Blumenporno oder Gemüsehorror?
Zach Hughes: Sonnentrinker
(Heyne 06/5246)


Zach Hughes ist dem deutschen Leser vielleicht schon durch sein "Killervögel" bekannt (s. SX 13). Wenn man sich an die Handlung jenes Buches noch erinnert, wird einem bei "Sonnentrinker" sofort die Parallele in der Struktur auffallen. Hier wie dort ein kriegerisch-barbarischer Held (obwohl es in beiden Fällen keine Fantasy ist), der allein eine beschwerliche Wanderung unternehmen muß, Geheimnisse erfährt, eine Gefährtin findet u.s.w. Spricht nicht gerade für den Einfallsreichtum des Autors.
In der Tat handelt es sich bei Hughes' neuem Werk bis auf einen Umstand um ein ziemlich konventionell erzähltes. Der Held, Sonnentrinker Duwan, muß seinen Stamm verlassen, um im fernen Süden Heilung von einer Verletzung zu finden und gleichzeitig Informationen über den dort lebenden FEIND zu sammeln, welcher Duwans Volk einst vertrieb. Er schafft auch, was vor ihm noch keiner vermochte (trotz zeitweiliger Einarmigkeit - erstaunlich). Geheilt von seinem Handikap, streift er herum, tötet haufenweise FEINDE, befreit und emanzipiert ein paar Sklaven, die ihm fortan wie Jünger folgen, schläft mit der FEINDlichen Königin und kehrt mitsamt Frau (nicht die böse Queen) in die heimischen Berge zurück. Als er nun sein Volk nach Süden führen will, um das angestammte Land dem schwächlich gewordenen FEIND zu entreißen, spielen die Ältesten Demokratie und verweigern ihm seine Armee. Er geht mit der Frau und einigen hundert Greisen wieder nach Süden, wo man ihn inzwischen wie einen Messias oder Propheten begrüßt. Dort stellt er eine Sklavenarmee auf und tötet wieder Mengen von FEINDEN.
Was ist nun neu daran? Eine einzige Grundidee: Duwan und seine Artgenossen sind halb menschliche, halb pflanzliche Wesen (ähnlich wie Mielkes Mingo, falls den jemand kennt). Dieser Gedanke durchzieht konsequent den Roman. Der Held kann seinen Arm nachwachsen lassen und sogar eine tödliche Folterung überstehen. Die Sonnentrinker können - wie ihr Name sagt - Photosynthese betreiben und fast jede pflanzliche Nahrung verwerten. Trotzdem scheinen sie sich auf recht konventionelle, menschliche Weise zu vermehren, nur daß die entsprechenden Teile Pfropf und Blüte heißen. Das hat dem Autor offenbar besonders gefallen, denn Duwan pfropft sich munter durch die Gegend. Die detailreichen Schilderungen sind rein pornographisch, ob es nun scheinbar um eine Pflanze geht oder nicht.
Was den Rest betrifft, so beschreibt der Autor mit Vorliebe und im Überfluß gräßliche Metzeleien, vom Häuten bei lebendigem Leib - was sein Lieblingsthema zu sein scheint - über Kannibalismus bis hin zu diversen Schlachtenbildern, bei denen hehre, grünhäutige Recken mit den Schwertern nur so um sich hacken. Da kann sich dem Leser schon mal der Magen umdrehen.
Es gibt auch einige Ungereimtheiten in der Handlung.
Scheinbar sind die FEINDE nicht solche Zwitterwesen wie die Trinker. Es handelt sich bei der Welt übrigens nicht um die Erde, und auch das mit den Nachkommen von Menschen und den künstlich geschaffenen Wesen ist falsch, was auf der Buchrückseite steht. Aber so richtig wird die Andersartigkeit der FEINDE vom Standpunkt der Trinker nie erläutert. Es scheinen gewisse Poren an den Füßen zu fehlen, aber sonst gleichen sich die beiden Gruppen anatomisch. In Anbetracht dessen, was Duwan mit der Königin anstellt, muß man sich fragen, ob es überhaupt Unterschiede gibt. Doch wenn nicht, stürzt die ganze Konstruktion des Romans in sich zusammen!
Auch an anderen Stellen finden sich eigenartige Abschweifungen vom SF-Plot. Da gibt es gewisse Prophezeiungen, hat Duwan Visionen und hört er Stimmen, die ihm sagen, er sei "der Auserwählte". Der messianische Gedanke, bis hin zu Kreuzigung und Auferstehung, ist sehr stark zu bemerken. Hughes mag ein gläubiger Mensch sein, wie auch seine Nachbemerkung andeutet, aber religiöse Mystik stört in einem SF-Roman. Falls man das Buch denn als solch einen betrachten will. Vielleicht ist es aber auch Fantasy oder Horror? Wer weiß. Jedenfalls ist es nicht so überragend, daß man sich darum Gedanken machen müßte.
Der Roman hat sicher auch ein ökologisches Anliegen. Die Sonnentrinker sind Vegetarier und leben "im Einklang mit der Natur" - was für eine abgenutzte Phrase! Jedenfalls ist ein maßvolles Nutzen der Gaben der Natur eines ihrer obersten Gesetze. Die FEINDE betreiben dagegen Raubbau, vergiften die Umwelt und begehen auch sonst jede denkbare Sünde. Na ja.
Interessant ist, wie Hughes die Indoktrination der Sklaven beschreibt. Ihnen wird seit Generationen von ihren Herren eingehämmert, daß die Sonne und pflanzliche Nahrung für sie schädlich seien - um sie schwach und abhängig zu halten. Das ist so wirkungsvoll, daß sogar die Freien daran festhalten und mitten im Überfluß Hunger leiden. Erst Duwan bringt das Wissen von ihren wahren Möglichkeiten zu den Sklaven zurück. Eine Anspielung auf mögliche und tatsächliche Manipulation durch die Obrigkeit in der Realität?
Das Buch liest sich durchaus spannend, es ist schließlich genug Action dabei. Insgesamt ist es allerdings eher mittelmäßig.

[Sundrinker, © Zach Hughes 1987, übersetzt von Peter Pape 1995, 317 Seiten, DM 12.90]

SX 60


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