William Peter Blatty: Der Exorzist

William Peter Blatty: Der Exorzist
(Heyne 01/10274)


Wer kennt ihn eigentlich nicht, jenen Film voll abstoßenden Horrors, der nach diesem Buch gedreht wurde? Nun ja, vermutlich die Leute, die sich Horrorfilme erst gar nicht anschauen. Daß es einen Roman als
Grundlage dafür gibt, wußte ich bisher gar nicht, also wollte ich jetzt herausfinden, was das für ein Buch wäre. Leider gibt der Verlag kein Jahr des Originalcopyrights an so daß ich nicht feststellen konnte, wann es geschrieben wurde.
Der erste Eindruck ist, daß man die Vorlage ziemlich genau verfilmt hat,man sieht beim Lesen die entsprechenden Szenen fast vor sich. Der zweite Eindruck, daß ich mich nun als perfekt geschulten Hobbypsychiater betrachten kann. Blatty ergeht sich nämlich seitenlang in Vorträgen über Geisteskrankheiten und Neurologie. Das erinnert irgendwie an die frühe Science Fiction, wo der gute Doktor oder andere Autoren die Jugend erst einmal über das Grundsätzliche belehrten: Also, das da draußen ist das Weltall... Bei Blatty ist die Zielgruppe natürlich eine andere, und der gelehrte Ton der Ausführungen läßt vermuten, daß der Roman doch schon etwas älteren Datums ist. Die Vorträge setzen sich später im Buch zum Thema Besessenheit und Dämonen fort. Kommt man über diese Klippen, ist das Buch allerdings spannend und in gewisser Weise schockierend. Wer den Film kennt, weiß was ich meine.
Die Handlung, falls noch nicht bekannt, ist kurz zusammengefaßt: Die 12jährige Tochter einer bekannten Schauspielerin fängt plötzlich an, sich seltsam zu benehmen und ihr Zustand verschlechtert sich rapide.
Am Ende zeigt sich, daß sie tatsächlich von einem höllischen Dämon besessen war. Das Buch lebt allerdings davon, daß die verschiedenen Personen genau das die ganze Zeit über für fragwürdig halten. Die Mutter, am Schluß nur noch ein hysterisch kreischendes, sinnlos durch das Bild taumelndes Nervenbündel, will Tochter Regan beim ersten Anzeichen sonderbaren Verhaltens sofort zum Psychiater schleppen, wie es jede gute amerikanische Mutter tut und was mir immer noch bescheuert und unlogisch vorkommt - aber die Filme sagen uns, daß es so ist. Der Hausarzt rät aber vernünftigerweise ab und versucht erst einmal die Ursache bei organischen Leiden zu finden. Der andere Teil der Handlung wird von dem durch Selbstzweifel zerfressenen Jesuitenpriester Karras geprägt, an den sich die Mutter dann wendet, und der den Fall widerwillig vom Blickwinkel der Besessenheit zu untersuchen beginnt. Selbst er glaubt fast bis zum Schluß nicht daran.
Es geht hier vor allem um die Reaktion relativ moderner Menschen auf das Auftreten einer trotz aller Wissenschaft nicht erklärbaren Erscheinung. Karras bittet in seinem wackligen Glauben um ein Zeichen, aber was er dann bekommt, ist so grauenhaft, daß er es nicht überlebt. Zu seiner Ehre muß angemerkt werden, daß er nicht zerbricht, sondern sich aufopfert. Der Autor hat sich dem christlich-mythologischen Horror zugewandt, ebenso hätte er über eine Landung von Aliens schreiben können. Das Unerklärliche, das, was wir nicht glauben wollen, selbst wenn es uns auf die Füße fällt, hat immer wieder Autoren und Leser gefesselt.
Ein wenig aufgesetzt wirkt, was man als Botschaft verstehen könnte. Die Schauspielerin und ihre Tochter sind Atheisten, als die Sekretärin Sharon der kleinen Regan etwas über Gott erzählt, wird sie von der Mutter zur Rede gestellt. Zum Glück wird Blatty nicht so plump, explizit zu sagen, daß dies der Grund dafür ist, warum sich der Dämon gerade Regan ausgesucht hat. Im Herzen ist die Dame wohl aber doch gläubig, denn beim ersten Anzeichen des Ungewöhnlichen rennt sie ja zu den Priestern - am Ende kriegt sie ohnehin außer "Oh du mein Gott!" kaum noch was raus. Ich glaube, im Film wird sie nicht ganz so hysterisch dargestellt, sonst hätte ich es wohl nicht ausgehalten.
Der Exorzist selber kommt seltsamerweise erst ganz am Schluß ins Spiel, nachdem er in einem Prolog schon mal erwähnt wurde. Das geschieht während einer Grabung in Ninive, aber Blatty nimmt dabei nichts so Offensichtliches zu Hilfe, wie das Öffnen irgendeiner alten Kiste oder so. Der Dämon ist einfach da und tut seinen Job, warum weiß keiner. Das Unerklärliche eben.
Da es im Film Fortsetzungen gibt, sei hier noch angemerkt, daß sich der Roman nur auf den ersten Teil bezieht.

The Exorcist, © by William Peter Blatty, übersetzt von Gisela Stege, © dieser Ausgabe 1997, 382 Seiten, DM 12.90 

SX 89

 

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