Anne McCaffrey: Freedom's Landing

Anne McCaffrey: Freedom's Landing
(Corgi Books 1995, 383 Seiten, £ 4.99)

"Der erste Roman einer brillanten neuen Folge", ist auf dem Cover zu lesen. Tatsächlich hat die Drachenlady mit diesem Buch einen ganz neuen Zyklus begonnen, der nichts mit der Welt von Pern oder anderen aus ihrer Schöpfung zu tun hat. Und im Gegensatz zu Pern fängt sie hier mit dem Anfang an. Die Landung der Siedler war ja dort ein vergessenes Geheimnis, das erst recht spät im Zyklus wieder entdeckt und eingebaut wurde.
Seltsam ist der Titel, denn es gibt gar kein Raumschiff namens "Freedom" - Freiheit -, das landet, wie man annehmen könnte. Wer weiß, aus welchem Grund McCaffrey ihn gewählt hat. (1)
Die Menschheit ist nicht etwa in der Galaxis unterwegs, keine Psi-Talente bewegen Raumschiffe zwischen ihren "Türmen" hin und her. Die Menschheit sitzt hier und heute auf der Erde herum und geht ihren Geschäften nach ... als "Independence Day" live aufgeführt wird. Nur mit anderem Ergebnis. Die Catteni geben den Menschen gar keine Chance, sich mit cleveren Virusprogrammen zu wehren, sie schnappen sich als erstes zur Abschreckung die Bevölkerung von 50 Großstädten und verschiffen sie als Sklaven ins All. Normalerweise wirkt das. Was können die Catteni dafür, daß sich die Menschen auf der Erde schnell zu einer Plage entwickeln und man immer mehr deportieren muß?
Aber nicht um letztere Menschen geht es, sondern um die, welche auf dem Planeten Barevi schuften müssen. Nach ein paar Monaten gelang der Heldin Kris Bjornsen die Flucht ins Umland, wo sie zu Anfang in der Wildnis lebt. Da beobachtet sie, wie ein Catteni von seinen Landsleuten gejagt wird und rettet ihn. Was kann sie dafür, daß in dem Moment, wo sie ihn in die Stadt zurückbringen will, Schlafgas eingesetzt wird, um die gesamte Bevölkerung aus Menschen und einem halben Dutzend weiterer Rassen wieder in ein Raumschiff zu verfrachten? Schlechtes Timing!
Und so enden sie alle auf einem namenlosen Planeten, zu hunderten ausgesetzt, mit ein paar Decken und Messern, sonst nichts. Das ist die Art der Catteni, neue Planeten zu besiedeln. Humorvolle Typen müssen das sein.
Kris ist unter den "Siedlern", und auch der in Ungnade gefallene Catteni Zainal. Ein Sergeant der US-Marines namens Mitford übernimmt das Kommando bei der Verteilung von Decken und behält es, weil er so gut organisieren kann.
Man muß der Autorin nicht unbedingt in allem zustimmen, aber logisch ist es schon, daß sich einige hundert Menschen und Aliens in einer solchen Situation nicht wie bei einem Picknick benehmen sollten. Der Umstand, daß sich gerade ein militärischer Anführer findet, der die Verantwortung übernimmt, erscheint gerechtfertigt, da eine derartige Person zumindest in einer Krise eine gewisse Autorität besitzt und andererseits für die Handhabung von Krisen ausgebildet sein sollte. Gemildert wird das alles dadurch, daß der Mann ein Sergeant ist und nicht etwa ein Offizier. (Ein später auftauchender Major ordnet sich seiner Autorität sogar unter!)
Was sich entwickelt, ist in einer Art doch eine typische McCaffrey-Situation, wie man sie vor allem von Pern kennt. Die Menschen ziehen alle an einem Strang - von ein paar Unruhestiftern abgesehen - und vereinen ihre unterschiedlichen Fähigkeiten und Talente nicht nur zum bloßen Überleben, sondern zum Zwecke relativ schneller Entwicklung. McCaffrey ist offensichtlich Optimistin. Natürlich gibt sie auch Gegenbeispiele: Es sind an anderen Orten andere Gruppen abgesetzt worden, die sich scheinbar nicht so gut organisiert haben und in barbarische Verhältnisse fielen. Die Botschaft ist klar. Eine positive Führungskraft und das zweckgerichtete Zusammenarbeiten aller sichert Überleben und Glück. Man kann viele Parallelen zu Pern finden. Bei McCaffrey sind die Probleme, denen die Protagonisten in solchen Büchern gegenüberstehen, meist nicht so welterschütternd, sondern eher menschlich in ihrer Dimension. Sie mischt ihren Planetenabenteuern auch immer eine Prise Romantik bei - hier die Beziehung zwischen Kris und Zainal - aber wer will schon immer hard core Techno SF lesen?
Auch die Heldin Kris ist recht typisch für McCaffrey - man findet solche Frauengestalten bei ihr zum Beispiel im "Kristallsänger"-Zyklus oder im "Petaybee"-Zyklus. Es sind immer starke, unabhängige Frauen, aber keine Radikalfeministinnen. Sie beherrschen Kampf- ebenso wie Liebestechniken.
Die schnelle Entwicklung auf Botany, wie der Planet bald (nach Botany-Bay) genannt wird, kommt nicht aus dem Nichts. Die Catteni hatten eine wichtige Sache übersehen: der Planet ist zwar nicht bewohnt, wird aber recht intensiv genutzt. Überall finden sich automatische und sehr ökologisch arbeitende Ernte- und Verarbeitungskomplexe. Die Speicher sind voll mit Korn und die Roboter lassen sich nach einer Weile ziemlich gut auseinandernehmen und in alles mögliche andere verwandeln. Ihre Erbauer sind rätselhaft bis zum Ende.
Aber was heißt hier Ende? Es ist schließlich ein Zyklus. Das Buch ist zwar schön in sich abgeschlossen, doch bleiben viele andere Dinge offen. Werden die Mechano-Maker (die Erbauer der Robotfarmen) nachsehen kommen und was werden sie mit den Bewohnern ihres Planeten machen? Wie werden die Catteni weiter handeln, die von der Nachricht sehr überrascht waren, daß der Planet schon vermietet ist. Was wird aus der Widerstandsbewegung auf der Erde? Und welche Rolle wird der hochrangige Catteni Zainal weiter spielen, der sich entschlossen hat, auf Botany zu bleiben?
Ein vielversprechender Anfang für alle, die McCaffreys Bücher mögen. Kritiker werfen ihr vor, lange Zyklen mit ausgewalzter Handlung zu schreiben, aber sie hat auch eine sehr große Fangemeinde, die gerade das so schätzt. Und wenn man Zyklen gegenüber auch mißtrauisch ist, so heißt das nicht, daß einem ihre Bücher nicht gefallen müssen. Sehe ich an mir. Pern ist eine Welt, von der ich bis jetzt noch nicht genug bekommen habe, und den Catteni-Zyklus (oder wie man ihn auch taufen wird) werde ich auch weiterverfolgen.



(1) Wie Anne McCaffrey mir sagte, ist an der Titelgebung der Verlag schuld.
 
SX 91


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