David Weber: Honor Among Enemies
Honor #6: Von der Ehre unter Feinden
David Weber: Honor Among Enemies
(Baen Books 1996, 538 Seiten, $ 6.99)
Wie oft, ist auch dieser Buchtitel als
Wortspiel mit dem Vornamen der Heldin gemeint. Lange habe ich entnervt
gewartet, bis das Buch endlich als preiswerte Taschenbuchausgabe zu haben
war. Romane von Bestsellerautoren wie Weber erscheinen im Original ja meist
erst einmal als Hardcover - und sie verkaufen sich offensichtlich auch
als solche! (Ich muß zugeben, selbst ich habe ein paar Mal nicht
widerstehen können.)
Weber ist so erfolgreich, daß er
inzwischen für Baen schreiben kann, was er will. Bei diesem Buch spiegelt
sich das schon in der Länge wieder. Erstmals überschreitet ein
Honor Harrington Roman die 500 Seiten Grenze, was durch ein dünneres
Papier kompensiert wird. Und zum ersten Mal habe ich ein SF-Buch in die
Hand bekommen, das mit einem "Daumenkino" ausgerüstet ist! Auf der
oberen rechten Ecke befindet sich eine 475 Seiten lange Sequenz, in der
ein Raumschiff explodiert.
Noch etwas anderes ist zu bemerken: Weber
nimmt sich in diesem Buch viel Zeit, um etliche hard core SF Abschnitte
zu füllen. Viel ausführlicher als in den vorangegangenen fünf
Bänden des Zyklus' erklärt er technische und (pseudo-) wissenschaftliche
Details z.B. des Raumfluges in "seinem" Universum. Er geht auch tiefgründiger
auf die politische Vorgeschichte der einzelnen Welten ein und erweitert
die Region der Galaxis, in der sich die Handlung abspielt, um einiges.
Und er widmet nicht zuletzt auch der Beziehung Honors zu ihrer intelligenten
und telepathisch-empathischen "Baumkatze" Nimitz viel breiteren Raum.
Damit zeigt er zunächst einmal, daß
er nicht nur Space Opera und militärische SF zu schreiben in der Lage
ist, sondern daß er auch einen soliden SF Roman der alten Schule
vorlegen kann - zumindest als Abschnitte innerhalb seines MSF Buches. Mit
"Oath of Swords" (s. SX 89) bewies er ja bereits sein Talent in Sachen
Fantasy. Allerdings bringen Webers Neuerungen auch gewisse Nachteile mit
sich. Da er sich viel Zeit nimmt, Technik und Hintergrundsituationen zu
schildern, mangelt es der Handlung an dieser Stelle (etwa auf den ersten
100 Seiten) an der gewohnten Dynamik. Man kann nicht sagen, daß es
regelrecht langweilig wird ... und wenn doch, dann kann sich der Leser
ja mit dem Daumenkino ansehen, wie ein Raumschiff in sehr kleine Teile
zerblasen wird.
In SX 83 kann man über die ersten
fünf Bücher und Honor Harrington ausführlich nachlesen.
Übrigens bringt Bastei sie jetzt auch auf Deutsch heraus: Der
erste Band, "Auf verlorenem Posten" (23194), soll im Oktober kommen. Seltsamerweise
hat Bastei als Titelbild die Illustration David Mattinglys zu diesem
Buch (siehe vorhergehende Seite) gewählt. Das läßt Schlimmes
ahnen...
Nun gut, hier geht es jedenfalls darum,
daß aufgrund des noch immer mit unverminderter Heftigkeit andauernden
Krieges zwischen Manticore und der Republik von Haven in einer anderen
Randregion Piraten aktiv zu werden scheinen, die nicht nur für Manticore
ein Problem darstellen. Wie sich später zeigt, haben die Peeps (die
Haveniten) auch hier ihre Hände im Spiel. Da die Navy von Manticore
keine Schiffe abstellen kann, schickt man vier sogenannte Q-Schiffe los.
Das sind (in diesem Fall) umgebaute und bewaffnete Handelsschiffe, eine
Art Trojanisches Pferd im Weltraum. (Wie in einer kürzlich gesendeten
Dokumentation über U-Boote im 1. Weltkrieg zu sehen war, gab es Q-Schiffe
wirklich.) Für das Kommando der Schwadron wird Lady Harrington aus
dem Exil auf Grayson geholt und damit praktisch rehabilitiert. Es sagt
einiges über Honor, daß sie ihren Posten als Admiral in der
Grayson Navy mit Freude wieder gegen den eines Kapitäns bei Manticore
tauscht.
Die Handlung ist einmal mehr sehr verzwickt
und vielschichtig. Honors Einsetzung geht z.B. auf Manipulationen ihrer
mächtigen Feinde auf Manticore zurück, die hoffen, daß
sie endlich den Tod findet. Die Peeps bilden einen Teil der "Piraten" und
sind natürlich nicht mit Piratenschiffen unterwegs, sondern mit Schlachtkreuzern,
denen ein Q-Schiff nur die Überraschung entgegensetzen kann! Und dann
ist da noch die völlig verkommene Truppe der echten Piraten,
die skrupellos jedes Schiff angreifen und aus reinem Spaß ganze Besatzungen
foltern und umbringen.
Während Honor mit ihrem Schiff Patrouille
fliegt, stößt ein Schiff der Peeps anderswo auf die Hinterlassenschaft
der echten Piraten. Sie beginnen diese zu verfolgen. Zwar sollen sie den
Handel von Manticore selbst stören, aber das ist eine Sache, die Ehre
und die Pflicht den Zivilisten gegenüber eine andere. Die Haveniten
werden nun nicht mehr als die politisch fanatisierten Bösewichter
dargestellt, sondern als durchaus ehrenhafte Militärs, die "auch nur
ihre Pflicht tun". Was Weber an einer Stelle über Honor schreibt,
gilt in gewisser Weise auch für diese Männer: "Doch sie war ein
Wolf, der sein Leben lang anderen Wölfen gegenübertrat, um jene
zu schützen, die es nicht konnten; und er verstand das, denn ein Echo
von dem, was sie war, lebte auch in ihm." (S. 394) Und so kämpfen
die Peeps und Harrington mitten im Krieg, wenn auch nicht Seite an Seite,
so doch parallel gegen einen gemeinsamen Feind. Daraus ergeben sich interessante
Entwicklungen und Verwicklungen, wie man sich leicht denken kann.
Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten
werden - da man in den nächsten Jahren die Bücher auf Deutsch
erwarten kann, sollte sie doch jeder interessierte Fan selbst lesen.
Ein lustiges kleines Detail noch: Honor
liest in einer der wenigen ruhigen Minuten ein altes Buch und findet es
trotz der archaischen Sprache sehr gut. Es ist von einem gewissen Forester
- das ist der Mann, der "Horatio Hornblower" schrieb, das Standardwerk
auf dem Gebiet militärischer Belletristik. Kleine Verbeugung Webers
vor dem großen Vorbild.
Und David Weber schreibt weiter: "In Enemy
Hands" ist schon angekündigt.
SX 90
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