Gordon R. Dickson: Der Drache an der Grenze

Gordon R. Dickson: Der Drache an der Grenze
(Heyne 06/5904)

Die Grenze im Titel ist nicht etwa die eigene des Drachenritters Sir James, den es aus unserer Welt in eine des Mittelalters verschlagen hat. Es handelt sich um die Grenze zwischen England und Schottland. James und seine Freunde Brian und Dafydd reisen dorthin, um der Familie von Sir Giles von dessen Tod (im letzten Buch) zu berichten. Allerdings stellt sich heraus, daß Giles, der ein Silkie war - das ist eine Art Werrobbe - inzwischen wieder lebt und zu den Seinen zurückgekehrt ist, nachdem man seine Leiche in den Kanal geworfen hatte. Ich muß schon sagen, Dickson hat eine komische Art, mit seinen Figuren umzugehen.
Die lange Reise ins Grenzland ist nicht umsonst, denn die Grenzer dort haben ein Problem. Die Hohlmenschen. Das sind unsichtbare Gespenster von irgendwelchen lange toten Kriegern, die sich durch geklaute Rüstungen oder andere Sachen sichtbar machen. Außerdem rauben, plündern und töten sie, denn wenn sie sich was anziehen, haben sie auf einmal menschliche Bedürfnisse. Dickson hat auch eine komische Art, sich Probleme auszudenken.
Die Schotten auf der anderen Seite der Grenze haben nun vor, im Verein mit den geldgebenden Franzosen, einen Krieg gegen England zu führen, wobei sie die Hohlmenschen auch einbeziehen. Zusätzlich scheinen die Dunklen Mächte auch hier wieder ihre schmierigen Finger im Spiel zu haben.
Sir James ist nun scheinbar der, auf den alle gewartet haben. Er mobilisiert die Kleinen Leute, die so blaß gezeichnet werden, daß man sie auch gleich Zwerge hätte nennen können, damit sie zusammen mit den Grenzern die Hohlmenschen total vernichten. Denn wenn nur einer von denen überlebt, auferstehen sie nach achtundvierzig Stunden. Er denkt sich eine Falle aus, in die der Feind dann auch prompt hereintappt, um sich in einer Schlacht töten zu lassen. Weil das für den "Drachenritter" anscheinend zu banal ist, schickt der Autor noch einen Wurm (wie im ersten Band) gegen ihn ins Feld, den er selbstverständlich tötet, worauf er selbst halbtot ist, aber auf magische Weise so schnell geheilt wird, daß man nicht "Fauler Zauber" sagen könnte.
Unglaublicherweise schafft es Dickson, diese Geschichte über 440 Seiten hinzuzerren. Er schildert pedantisch die kleinsten Details, so daß ich immer das Gefühl hatte, die müßten doch etwas bedeuten, eine Überraschung stünde bevor. Aber falsch: dieses Zeug ist Füllmasse, bedeutet gar nichts, und überrascht hat mich an dem Buch wohl nur noch die primitive Kunst, mit der Ralph Voltz den Einband verunzierte. Endlos lange bereitet man sich auf die Schlacht vor, werden Gespräche geführt, in denen sich die Beteiligten in geschraubter Rede Nichtigkeiten sagen. Vielleicht ist die banale Sprache des Buches auch nur eine lieblose Übersetzung, der Inhalt war bestimmt nicht in der Lage, Norbert Stöbe mitzureißen.
Die Idee des Buches ist belanglos. Böse Mächte, Heere toter Ritter und Magie bieten absolut nichts Neues. Die Drachenmagie von Sir James kommt fast nicht zum Einsatz, so daß ihre Bedeutung immer fragwürdiger wird. Die Schilderung des Mittelalters ist kulturhistorisch zweifelhaft und nicht in der Lage, eine Parallelwelt vor dem Auge des Lesers entstehen zu lassen, die ihn interessiert - z.B. durch den Wiedererkennungseffekt. Der Erdenmensch James Eckert ist angeblich den Leuten aus dem Mittelalter geistig überlegen, aber Dickson bleibt die konkreten Beweise schuldig, denn er zeigt nicht, in welchen konkreten Fällen Eckert sein Wissen wie anwendet. Die Ansätze zu einer mehr satirischen Betrachtung sind wohl zufällig in die Bücher geraten und gar nicht so gemeint.

The Dragon on the Border, © 1992 by Gordon R. Dickson, übersetzt von Norbert Stöbe 1997, 446 Seiten, DM 16.90 

SX 94

 

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