Gordon R. Dickson: Der Drachenritter

Gordon R. Dickson: Der Drachenritter
(Heyne 06/5903)

Im zweiten, schon dickeren Teil des "Drachenritter-Zyklus", den der Autor Jahre nach dem ersten schrieb, mußte zunächst geklärt werden, wie Sir James, der ehemalige Akademiker aus unserer Welt, weiterhin zumindest zeitweise ein Drache sein könnte. Schließlich hatte er am Ende des ersten Teiles seinen richtigen Körper zurückerhalten. Dickson fand einen Weg, der recht überraschend kommt, aber nicht etwa in positiver Hinsicht. Eine positive Überraschung des Lesers würde ich es nennen, wenn die Handlung eine neue, spannende Wendung nähme. Hier wird einfach etwas eingebaut, das mich in seiner Plötzlichkeit etwas befremdete. Ohne daß davon im ersten Teil die Rede gewesen wäre, behauptet Dickson nun, sein Hauptheld James habe magische Fähigkeiten und schickt ihn zu dem Oberzauberer Carolinus in die Lehre.
Ungenutzte magische Energie wird nach gewisser Zeit von der sogenannten Revisionsabteilung aktiviert, so daß sich James spontan in einen Drachen verwandelt, weil er das schon mal gewesen ist. Da das im Ehebett geschieht, was recht peinlich ist, eilt er auch gleich zwecks Erklärung zu Carolinus, der ihm die Sache mit der Magie auseinandersetzt.
Nun ist der Weg frei für alle möglichen Abenteuer mit Magie und Drachen, schade nur, daß Dickson es so oberflächlich und offensichtlich hinbiegen mußte. Aber ohne diese Details hätte er nur Romane mit Handlung in einem fiktiven Mittelalter schreiben können, und wer will so etwas schon lesen?
Auch die Bezeichnung von Sir James als Drachenritter kommt ziemlich plötzlich und wird nicht weiter erklärt. Ich hatte streckenweise den Eindruck, daß mir ein Buch oder zumindest ein Abschnitt eines Buches dazwischen fehlen könnte. Ob man damals den ersten Teil etwa gekürzt hatte? Aber das hätte Heyne doch bei der Neuausgabe korrigiert, oder?
Daß nicht Irene Holicki auch die weitere Übersetzung der Romane in die Hand genommen hat, mag Gründe haben, doch der Wechsel eines Übersetzers bedingt meist einen Wechsel in Stil und Wortwahl. So auch hier. Norbert Stöbe hätte zumindest die Professionalität besitzen sollen, den ersten Teil einmal durchzulesen, bevor er sich an die Übersetzung der Fortsetzungen machte. Es ist immer wieder unangenehm auffallend, wenn bestimmte werkspezifische Worte anders übersetzt werden. Holicki nennt ein gewisses Wesen einen Unhold, Stöbe macht daraus einen Oger. Selbst wenn letzteres richtiger wäre, hätte man die originale Bezeichnung beibehalten sollen, zumal das Wesen nur in Rückblicken eine Rolle spielt. Holicki war für Gorp, das Schrottauto von James und Angie, die durchaus interessante Übersetzung Schluckspecht eingefallen. Stöbe fiel gar nichts ein. Auf Seite 104 behauptet Stöbe, der alte Drachen Smrgol sei von einen Hieb verkrüppelt worden. Tatsächlich war es aber ein Schlaganfall! Das eine ist strike, das andere stroke, Herr Übersetzer. Und schließlich macht Stöbe aus den Teichdrachen nun Sumpfdrachen. Wie gesagt, einmal den ersten Teil gelesen, und das wäre nicht nötig gewesen.
Ein Buch ist ein Kunstwerk, und eine schlechte oder schlampige Übersetzung wirkt auf mich wie Mr. Beans Verschönerung von "Whistler's Mother".
Der zweite Teil handelt wieder davon, daß die "Dunklen Mächte" versuchen, die Oberhand zu gewinnen, diesmal allerdings in eher verdeckter Form. In Frankreich wird der englische Prinz Edward während eines Feldzuges von den bösen Magier Malvinne gefangengenommen. Die Engländer, darunter auch James und seine Freunde, sind gefordert, ihn wieder herauszuhauen. Die Welt, um die es geht, ist übrigens eine Art mittelalterliche Parallel-Erde, die sich von der hiesigen vor allem dadurch unterscheidet, daß es Magier, Drachen und sprechende Wölfe gibt. Wie sich herausstellt, auch Feen und Elementargeister. Weitere Ergänzungen des Zoos in den folgenden Bänden nicht ausgeschlossen.
Man schifft sich also ein und natürlich befindet sich unsere Heldentruppe nicht einfach im englischen Heer, sondern hat eine Spezialaufgabe. Den Prinzen aus der Burg des Zauberers zu befreien. Das gelingt, aber danach muß noch verhindert werden, daß die dennoch entbrannte Schlacht zwischen den beiden Heeren jemand gewinnt. Und der Doppelgänger des Prinzen muß entlarvt werden. Und Malvinne muß unschädlich gemacht werden.
Bei letzterem ist der gute James wohl etwas nachlässig, denn der Bösling eilt trotz des Verlustes seiner Magie ihm voraus nach England, um mal kurz die heimische Burg der Guten zu erobern. Aber man erobert zurück und der sowieso schon gereizte Todeskönig zerrt Malvinne in die Unterwelt.
Der Schluß des Ganzen erschien mir ein wenig aufgesetzt und chaotisch. Scheinbar war die Handlung ja schon zu Ende, da kommt noch mal ein Problem der beinahe gleichen Größenordnung, das auch noch nebenbei gelöst wird.
Dickson schreibt routiniert und unterhaltend, benutzt eine Reihe von bekannten Stilmitteln, um nicht zu sagen, Klischees. Er nimmt die Situation seiner Hauptgestalten nicht zum Anlaß, eine Parodie auf diese Art Fantasy zu schreiben, wie das Foster mit dem "Bannsänger" vermochte, oder etwa humorvolle Fantasy. Er schreibt einfach nur diese Art Fantasy und fertig. So wenig wie er lustige Anachronismen benutzt, so wenig Probleme haben die beiden Menschen unserer Zeit auch im Mittelalter der Magie. Wie ich schon in der Rezi zum ersten Teil anmerkte, es ist nicht ganz klar, warum es überhaupt nötig war, solche Helden zu wählen. James ist Ritter und Zauberer, und Angie - die sowieso keine Rolle spielt - die Burgdame.
Dennoch liest sich der Stoff ganz angenehm, gute Unterhaltung eben. Aber nicht viel mehr.

The Dragon Knight, © Gordon R. Dickson 1990, übersetzt von Norbert Stöbe 1997, 620 Seiten, DM 19.90

SX 93

 

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