James B. Johnson: Treckmeister
James B. Johnson: Treckmeister
(Heyne 06/5916)
Dick und (entsprechend) teuer ist das Buch. Aber es ist auch spannend
von der ersten bis zur letzten Seite und damit sicher sein Geld wert. Ich
habe es nicht aus der Hand legen können, obwohl mich das um meinen
Schlaf brachte, und es sogar in Pausen - die ich sonst kaum mache - unterwegs
bei der Arbeit gelesen...
Johnsons zweiter Roman ist "nicht besonders innovativ", wie die Enzyklopädie
der SF schreibt, aber er ist für meinen Geschmack ausgesprochen gut.
Auf einer Welt namens Bear Ridge sind die ehemals irdischen Siedler inzwischen
wiederentdeckt worden. Sie und andere Kolonien der Erde waren während
des offenbar von Kriegen begleiteten "Roll-back" verlorengegangen. In den
Jahrhunderten dazwischen fielen die damals technologisch noch nicht autarken,
hauptsächlich nordamerikanischen Siedler auf ein barbarisches Niveau
zurück, von dem sie sich langsam wieder hocharbeiteten. Im Moment,
als die Föderation der Menschheit mittels einer Gesandten namens Sharon
Gold prüft, ob der Planet aufgenommen werden kann, befinden sie sich
auf einem feudalistischen Niveau - Schwerter, Armbrüste usw.; und
ein König steht an der Spitze der Welt von ganz Bear Ridge. Im Gegensatz
zu anderen Autoren beschreibt Johnson aber ein "mo-dernes Mittelalter".
Keine sklavische Wiederholung längst vergangener irdischer Zu-stände,
die mir noch nie richtig einleuchtend war, sondern eine recht moderne Gesellschaft,
die technologisch allerdings noch einigen Aufholebedarf hat. Daß
der Planet von einem Monarchen regiert wird, ist dazu kein Widerspruch.
Der Mann regiert mittels "zielorientiertem Management".
Der König ist auch eine der Hauptpersonen. Er heißt Thomas
Jefferson Shepherd (Rex) und ist der amtierende Treckmeister. Dieser Titel
ist überhaupt die Voraussetzung für die Kö-nigswürde,
er bedeutet, daß Shepherd ganz allein eine doppelte und riesige Gebirgskette
überquerte, mit der da-hinter lebenden einheimischen intelligenten
Rasse kommunizierte und zurückkam. Nur einer pro Generation hat das
bisher geschafft.
Doch der König hat hochfliegende Pläne. Er will unbedingt
seine Welt in die Föderation bringen, um das alte Entwicklungsniveau
wiederzuerlangen. Nicht jeder in den adligen und klerikalen Kreisen ist
da seiner Meinung. Außerdem gibt es in dem Sonnensystem noch einen
Mitbewerber auf der Nachbarwelt mit dem sehr bezeichnenden Namen "Zwei
Zungen".
Die Komplexität der Handlung sorgt gleichzeitig für eine
atemberaubende Spannung. Es gibt überall Konflikte, unerkannte Spione
und eine drohende Invasion von der Nachbarwelt, wo man zwar auch rückständig
ist, aber genug Geld hat, um illegal ein paar Raumschiffe anzuheuern. Der
Sohn Shepherds, Mike, will nicht so, wie der König will - macht aber
dann doch den Treck - der Narr des Königs ist etwas ganz anderes,
überall Rätsel und Mysterien. Wahnsinn! Unter den jungen Leuten
schürt ein von Haß verblendeter Verräter die Opposition,
und auch die (katholische) Kirche neigt zum Widerstand.
Dem gegenüber steht aber ein charismatischer Kriegerkönig,
der es in zwanzig Jahren des Kampfes schaffte, Bear Ridge unter seiner
klugen Herrschaft zu vereinen, und der jetzt eine ganz andere Rolle als
die des rohen Schwertschwingers spielt. Er baut Schulen und fördert
die Wissenschaft, und er will vor allem, daß seine Welt durch die
Föderation aus der Rückständigkeit gerissen wird! Andererseits
ist seine Herrschaft kompromißlos und manchmal auch brutal, eine
äußerst interessante Kombination von Bürokratie, modernem
Management und feudaler Autokratie. Wenn man sich für Feinheiten interessiert,
wird man sie hier finden. Die Brutalität ist der alles in allem doch
rückständigen Welt durchaus angemessen. Mit durchgedrehten und
größenwahnsinnigen Pseudo-Samurai, welche die königliche
Familie und die Gesandte entführen, kann man schlecht diskutieren...
Shepherd ist der ideale König: von großer Ausstrahlung,
hoher persönlicher Integrität, mit bewiesenem Mut, körperlicher
Kraft und Fitneß, Intelligenz... ein Ideal also. Nur einem solchen
gesteht man eigentlich heutzutage noch das Recht zu, autokratisch zu herrschen.
Sicher konstruiert die SF oder Fantasy Situationen, wo die Alleinherrschaft
der einzige Weg zu sein scheint. Und seien wir doch ehrlich, konfrontiert
mit dem, was sich hierzulande und woanders Demokratie nennt, scheint manchmal
etwas so einfaches wie ein König wünschenswerter. Vielleicht
idealisieren die Amerikaner die Monarchie nur deshalb so gerne, weil sie
nie eine hatten.
Erst ganz am Ende kommt es zur Invasion vom Nachbarplaneten und zu
einer fürchterlichen Schlacht. Die Idee ist auch nicht uninteressant,
wie die Aggressoren angreifen: Sie werden von gekauften Transportschiffen
zu sechstausend herübergeschafft, haben aber selbst nur Musketen und
Pistolen gegen die Schwerter und Armbrüste der Verteidiger zu setzen.
Na gut, jeder kann sich vermutlich denken, daß die Schlacht zugunsten
von Bear Ridge ausgeht. Aber mehr will ich hier wirklich nicht verraten.
Der Roman vermittelt weit mehr Gedankentiefe, als man bei dieser Zusammenfassung
vielleicht denken mag. Die Beziehung von Kirche und Staat spielt eine Rolle,
eine andere intelligente Art wird eingeführt und verhält sich
(literarisch) keineswegs nach der Ersten Direktive. Im Gegenteil: die Aliens
sehen die Besiedelung der anderen Hälfte ihrer Welt durch die Menschen
als eine Chance an, sich weiterzuentwickeln!
Gestört haben mich allerdings die zahlreichen Druckfehler, die
eindeutig auf schlampiges Korrekturlesen zurückgehen. Heyne sollte
mal mit Schaber Satz- und Datentechnik ein ernstes Wort reden. Für
zwanzig DMs erwarte ich auch ein Buch, das nicht nur durch das Michael
Whelan Cover perfekt wird.
Geärgert hat mich allerdings nur eins: Daß das Buch schon
zu Ende war.
Trekmaster, © James B. Johnson 1987, übersetzt von Norbert Stöbe 1997, 571 Seiten, DM 19.90
SX 94
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