Lois McMaster Bujold: Spiegeltanz

Lois McMaster Bujold: Spiegeltanz
(Heyne 06/5885) 

Es gibt inzwischen eine ziemlich große Fangemeinde von McMaster Bujold bzw. vom Barrayar-Zyklus. Und der Zyklus wird zur Freude der Fans immer weiter fortgesetzt. Mehr oder weniger dreht sich die Sache um die Person des Lord Miles Vorkosigan alias Miles Naismith, wie er sich in seiner Identität als Admiral der Dendarii-Söldner nennt. Manche Bände, wie etwa "Ethan von Athos" handelten allerdings schon völlig ohne Miles, so daß der Zyklus praktisch auf ein ganzes "Universum" ausgeweitet ist.
"Spiegeltanz" ist nun wieder ein Miles-Roman. Allerdings gewinnt Bujold ihrer Figur eine neue Seite ab. Die Hauptperson ist diesmal nicht Miles selbst, obwohl er in einigen Kapiteln als Handlungsträger auftritt, sondern sein "Klonbruder" Mark. Dieser wurde von den Feinden der Vorkosigans geschaffen und als Attentäter ausgebildet, konnte ihnen aber entkommen und bemüht sich nun um Selbstfindung. Mark schleicht sich als Miles in die Dendarii-Flotte ein, nimmt ein Schiff und versucht, 50 Klone von einem Planeten zu befreien, auf dem er einst selbst gezüchtet wurde. Die betreffenden Klone haben aber eine andere Zukunft als er: Sie werden als Körperspender für die Gehirntransplantationen reicher Leute bereitgehalten. Deshalb versucht Mark sie zu retten, aber auch, um sich und der Welt zu beweisen, daß er mehr ist als nur der Klon von Miles.
Die Operation läuft ganz gut an, endet aber wegen Fehlern in der Vorbereitung und Verzögerungen in der Durchführung in einem Fiasko. Miles, der bei seiner Rückkehr zur Flotte inzwischen mitbekommen hat, was da läuft, eilt herbei, um die gefangenen Söldner, Mark und die Klone herauszuholen. Bei dem sich entwickelnden Gefecht wird er erschossen.
Ja, ganz recht: Miles wird getötet!
Für die Menschen in jenem Universum der Zukunft noch kein Beinbruch, solange eine Kryokammer bereitsteht, um die Leiche bis zur Wiederbelebung aufzunehmen. Leider geht besagte Kammer beim verständlicherweise etwas überstürzten Start verloren. Als man sie später schließlich wieder aufstöbert, ist sie leer.
Es geht im Buch allerdings nicht so sehr um die Suche nach Miles' Leiche oder der Kammer, sondern in einer vielschichtigen Handlung um die Art und Weise, wie sich Mark entwickelt. Er wird von den Vorkosigans als zweiter Sohn akzeptiert, was in der pseudofeudalistischen Gesellschaft von Barrayar sehr viel mit Erbfolge usw. zu tun hat, bis hin zu einer theoretischen Anwartschaft auf den Kaiserthron! Sehr eindringlich schildert Bujold dabei vor allem die innere Zerrissenheit Marks, der mißbraucht und gedemütigt wurde, der physisch entstellt ist - jedenfalls nach den Maßstäben jener Gesellschaft. Wie er sich behauptet und mit seiner Umwelt zurechtkommt, scheint diesmal das Hauptthema des Buches zu sein. Das ähnelt den Erlebnissen des jungen Miles z.B. in "Der Kadett", ist aber doch nicht das gleiche. Miles selbst ist über weite Teile als tot aus dem Rennen und danach spielt er in seiner Rekonvaleszens auch nur eine sekundäre Rolle.
Das Buch hat einige überraschende Wendungen für den Leser parat, die sich meist auf plötzlich enthüllte neue Facetten im Charakter der Personen beziehen. Auch spielen die komplizierten Beziehungen von Miles und Mark zu den Frauen eine große Rolle. Ohne gleich als feministische SF-Autorin eingestuft zu werden, widmet Bujold den verschiedenen Frauengestalten in ihrem Buch wieder große Aufmerksamkeit. Sie sind nicht nur Staffage. Nun ja, es gibt auch ein paar Kämpfe, diverse Folterungen und andere Unappetitlichkeiten. Aber das Wesentliche des Buches sind doch wohl die handelnden Personen.
Man sollte sich nicht von der relativ großen Dicke des Romans abschrecken lassen. Die Autorin schreibt wie immer spannend und interessant. Es ist also nicht verwunderlich, wie viele Fans sie sich mit diesem Zyklus erworben hat.

Mirror Dance, © 1994 by Lois McMaster Bujold, übersetzt von Michael Morgenthal 1997, 686 Seiten, DM 19.90

SX 95

 

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