Timothy Zahn: Astra
Timothy Zahn: Astra
(Heyne 06/4645)
Nachdem ich "Kriegspferd" von Zahn gelesen hatte (s. SX 34), legte ich
mir auch "Astra" zu, und da blieb es auch liegen. Nun habe ich mich also
endlich aufgerafft und es gelesen. Und siehe: es war gut.
Der einfallslose Einband von Ian Craig animierte jedenfalls nicht gerade
zum Lesen. Er hat mit dem Inhalt auch nichts zu tun.
Worum also geht es? Der Sternenantrieb wird erfunden, und die Menschheit
schickt sich an, dorthin aufzubrechen, wo noch nie ein Mensch zuvor usw.
Leider muß sie feststellen, daß dort schon die anderen sind.
Alle bewohnbaren Planeten im Umkreis sind von einem Dutzend intelligenter,
raumfahrender - und Handel treibender - Rassen besetzt.
Übrigens hat Hilde Linnert es geschafft, schon das 11. Wort des
Buches so falsch zu übersetzen, daß man erst einmal stolpert:
"Als Kommandant Carl Stewart auf der Brücke von Amerikas erstem Raumschiff
stand..." Was waren denn dann Mercury und Apollo? Flugeimer? (Vom Shuttle
einmal abgesehen, das ist wirklich nicht unbedingt ein Raumschiff.) Ich
wette, das hieß starship und sollte auch so übersetzt
werden: Sternenschiff ! Zur Ehrenrettung muß gesagt werden,
daß die Übersetzung ansonsten annehmbar ist.
Man nimmt mehr schlecht als recht Kontakt auf und geht erste Handelsbeziehungen
ein. Und schließlich bekommt man die Nachricht von dem einen Planeten,
den keiner haben will: Astra. Auf dieser Welt gibt es nämlich keinerlei
Metalle, es ist ein einziger öder Schlammklumpen. Wenn es heißt,
keine Metalle, so ist damit alles gemeint, was im Periodensystem der Elemente
diesen Namen verdient - bis runter zu Spurenelementen im Boden. Also muß
sogar die Landwirtschaft mit massiven Düngergaben gestützt werden.
Die UNO will Astra eigentlich auch nicht am Hals haben, und so bekommen
die USA das Ding aufgedrückt. Die schicken dann auch ein paar Wissenschaftler,
einen Haufen hispanische Arbeiter und einen Trupp Militär hin.
Es gibt die üblichen innerbetrieblichen Querelen, als die Hispanos
merken, daß das ihnen versprochene Paradies erst noch aus dem widerwilligen
Boden gestampft werden muß. Ein gewisser Perez macht sich als demagogischer
Unruhestifter schnell beim Militärbefehlshaber unbeliebt.
Aber da beginnen seltsame Ereignisse. Der metallische Dünger verschwindet
schneller im Boden, als man nachkippen kann. Ein von den Außerirdischen
gekaufter Flugapparat stürzt ab. Und plötzlich verschwindet alles
Metall, das Bodenkontakt hat, in selbigem! Kurz darauf bricht ein naher
Vulkan aus und speit mittels massiver Antigravitationswellen ein dünnes
Metallkabel mit verblüffenden Eigenschaften in den Orbit.
Man sitzt quasi auf einer hunderttausend Jahre alten Fabrik einer unbekannten
Rasse. Der Wert des Planeten steigt schlagartig ins Unermeßliche.
Und damit kommen selbstverständlich Intriganten, Politiker, Invasoren
und Händler, die alle ein Stückchen abhaben wollen.
Die Beschreibung der politischen Verwicklungen der in ihrer Macht erstarkten
UNO, der USA und der Außerirdischen auf der einen Seite und der Leute
auf Astra auf der anderen ist sicher der interessanteste Teil des Buches,
vielleicht weil Zahn hier sehr nahe an der (möglichen) Realität
bleibt. Auch auf dem Planeten selbst gibt es politische Entwicklungen.
Ein Bürgerkomitee steht dem Militär gegenüber, wobei Zahn
keine eindeutige Wertung abgibt. Weder das demokratische Komitee (dem aber
auch Perez angehört) noch der Koloniechef Oberst Meredith erhalten
den Bonus des ausschließlichen Rechthabens. Allerdings ist sein ganzer
Ton sehr amerikanisch, was sicher einigen Lesern nicht so gefallen dürfte.
Er widerspiegelt wohl die Meinung eines gewissen Teils der US-Bürger
über die UNO im allgemeinen (Debattierklub) und spezielle Politiker
(korrupt) im besonderen.
Der nächste Schritt von Astra ist durch diesen Amerikanismus vorgezeichnet.
Die Sezession oder Unabhängigkeitserklärung, ganz wie man es
betrachten will. Dieser historische Vorgang in der amerikanischen Geschichte
war zweifellos von enormer Bedeutung, die Vormachtstellung amerikanischer
Autoren auf dem SF-Sektor hat ihn aber auch zu einem Stereotypus der SF
werden lassen. Scheinbar jeder Kolonieplanet, der was auf sich hält,
steuert unvermeidlich in die Unabhängigkeitskrise hinein. Schön
und gut, um Konflikte zu schüren und auszuleben, aber gibt es keine
anderen Varianten?
Ein wenig dick aufgetragen fand ich, daß man neben der nach hunderttausend
Jahren noch voll funktionsfähigen (!) Technik auch noch ein Rettungsschiff
der Erbauer der Fabrikanlage findet und bei einem schnellen Trip zu deren
Heimatplaneten nicht nur die Schwarze-Löcher-Sprungtechnik entdeckt,
sondern auch, was damals eigentlich aus den armen Schweinen geworden ist.
Alles in allem ein gut lesbarer Roman, wenn auch ohne umwerfende Innovationen,
dafür mit einem gewissen Anteil an Humor. Sollte man nicht der Wühlkiste
oder Reinhards Bananenkartons überlassen.
Spinneret, © 1985 by Timothy Zahn, übersetzt von Hilde Linnert 1990, 382 Seiten, DM 12.80
SX 92
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