A. A. Attanasio: Radix


Ich weiß selbst nicht, wieso ich das Buch, entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, zuende gelesen habe. Vielleicht, weil ich hoffte, am Schluß doch noch einen tieferen Sinn zu finden? Vielleicht aus einem selbstquälerischen Impuls heraus?
Attanasios Erstling ist ein unglaublich schwer lesbares Stück SF. Ihn mit Frank Herberts "Wüstenplanet" zu vergleichen, ist Unsinn und offenbart nur die Hilflosigkeit, mit der man vor diesen 570 Seiten steht. Dabei ist der Inhalt bzw. die Handlung nicht mal so einzigartig, wie man dem Leser glauben machen will. Zumindest in einer groben Struktur erinnerte sie mich an viele ältere SF Sagas, die ich mal gelesen habe. Es muß da eine gewisse Zeit gegeben haben, wo sich in die SF Elemente des Mystizismus, wirre esoterische Vorstellungen einschlichen. Helden transzendierten regelmäßig zu Überwesen mit einer Bestimmung. Schicksalhafte Prozesse jenseits aller Naturwissenschaft lenkten das Universum...
Na ja. Zumindest ist die Art, wie der Autor es umsetzte, recht ungewöhnlich.
Die Handlung spielt auf der Erde um 3300. Anfangs erkennt man das nicht, denn es gibt nichts, was noch an unsere bekannte Welt erinnert. Daran schuld ist eine Gravitationswelle, die den Planeten getroffen hat, die Achse verschob und das Magnetfeld zusammenbrechen ließ. (Wissenschaftliches Kauderwelsch, das eigentlich bedeutungslos ist, weil sowieso unsinnig.) Neben den vielen katastrophalen Auswirkungen begann die ungehindert einfallende kosmische Strahlung auch Mutationen Verzerrungen hervorzurufen. Aber das war noch nicht alles: Eine außerirdische Rasse von Energie oder Geistwesen namens Voors inkarnierte sich in menschlichen Körpern. Scheinbar war das Chaos da schon so groß, daß das keiner mehr mitbekam.
Als Ergebnis von Experimenten entstand ferner ein Mann, der in der Lage war, einen Gottgeist in sich aufzunehmen, was immer das sein soll. Und der Delph genannte Gottgeist gestaltete für 1200 Jahre die Realität der Erde neu. Inwiefern ist unklar, denn er gab sich offensichtlich nicht damit ab, die Folgen der Katastrophen zu beheben.
Verwirrt das alles jemanden?
Gut, denn es ist noch längst nicht alles. Die Handlung folgt einem anderen Mann namens Sumner Kagan, der sich zu Anfang damit amüsiert, ganz allein Straßengangs in Fallen zu locken und abzuschlachten. Da ist er siebzehn oder so. Über lange Strecken folgen wir Sumner dann, wie er durch einen unglaublichen Leidensweg zum Einzelkämpfer der Armee ausgebildet wird. Bei einem Auftrag geht dann etwas schief und er verschmilzt mit dem Bewußtsein eines Voor, den er tötet. (Zufällig ist der sein Sohn, aber wir wollen doch beim Wesentlichen bleiben.) Um es kurz zu machen, Kagan ist so etwas wie der Anti Delph, was er aber nicht weiß. Er soll den Delph vernichten, was er aber nicht tut. Denn der Delph ist gar nicht böse, sondern dessen Künstliche Intelligenz, die den Planeten (Erde) unterdrückt.
Könnt Ihr mir folgen?
Das alles wäre ja halb so wild, wenn Attanasio den gesamten Roman nicht in einem Stil geschrieben hätte, der einen wahnig machen kann (um nur einen seiner Ausdrücke zu zitieren). Er benutzt pausenlos unverständliche Wortkonglomerate, die zum großen Teil keinen wirklichen Sinn ergeben, also Wortverbindungen, die nichts bedeuten! In verschraubten Sätzen feuert er diese Strukturen auf den Leser ab, der wie ich jedenfalls verzweifelt versucht, zu begreifen, was man von ihm will. Daran ändert auch das umfangreiche Glossar nichts. Dort sind Begriffe nämlich teilweise mit anderen unverständlichen Sätzen "erklärt". Nach einer gewissen Zeit konnte ich den Text nur noch überfliegen, um Stellen zu finden, wo wirklich etwas passierte nicht, daß das dann immer einleuchtend gewesen wäre! Die Gestalten Attanasios sind genauso wie sein Text leere Figuren ohne wirkliches Profil, ohne Charakter und Motivation. Sie handeln, als ob jeder Schritt, den sie tun, unglaublich bedeutungsschwer sei, ohne daß diese Bedeutung je klar wird.
Ich weiß nicht, wie es der Übersetzer geschafft hat, das ins Deutsche zu übertragen, vermutlich hat er es wörtlich getan und sich nicht allzu viele Gedanken um die Begriffe gemacht. Bei dem Text wird man Übersetzungsfehler kaum noch merken!
Wenn Ihr den Band also auf dem Buchmarkt liegen seht, laßt ihn lieber dort. Es sei denn, Ihr wollt Euch mittels der Lektüre durch unendliches Leiden auf eine höhere Ebene des galaktischen Bewußtseins transzendieren, als ätherische Lichtwesen, die wir doch alle sind. Aber vorsicht vor dem Kausalkollaps im Psyn Echo der aus einem offenen Kollapsar strömenden Linergie!

Radix, (c) 1981 by A. A. Attanasio, übersetzt von Ralph Tegtmeier 1984, 570 Seiten, DM 14.80 

SX 97

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Good Omens 2

Damsel – der Film

Lois McMaster Bujold: Spiegeltanz