Arthur C. Clarke: Die Delphin Insel

 Didaktisch wertvoll
Arthur C. Clarke: Die Delphin Insel
(Bastei Lübbe 23050)


In den 60ern scheinen gewisse erfolgreiche SF Autoren ihre Bücher nach einer ähnlichen Masche gestrickt zu haben: Ein Junge, meist in pubertärer Uneinigkeit mit sich und der Welt, im Alter der primären Zielgruppe der Autoren, gerät vorzugsweise unverschuldet (wer möchte seinen Helden schon mit "Schuld" belasten?) an Bord eines Expeditionsfahrzeuges auf dem höchsten Stand der Technik: Raumschiff, U Boot, was auch immer. Dadurch verwickelt er sich in die aufregendsten Abenteuer, die da heißen: Forschung, fremde Welten, Neues, Lernen, Lernen und nochmals Lernen. Denn er wird natürlich von der ethisch hochstehenden Mannschaft aus weißbekittelten Wissenschaftlern und tapferen "sonstige Kräfte" freundlich aufgenommen wie weiland der blinde Passagier selbstverständlich Schiffsjunge werden und nach dem gewaltigen Sturm als einziger den Kahn nach Hause steuern durfte, wo er sein Kapitänspatent bekam... Meist rettet er durch seine Unverbildetheit, Naivität, Genialität usw. den Tag und führt den Kontakt mit diversen unentdeckten Rassen, Welten, Dimensionen usw. herbei. Will der Autor ganz spitzfindig sein, gibt er dem jugendlichen Helden noch einen kleinen Makel mit auf den Weg: etwa unterdurchschnittliche Größe ein Brillenträger würde da schon einen Schritt zu weit gehen. Oder er läßt ihn ein Mädchen sein...
Damit ist die vorherige Generation SF Fans aufgewachsen? Au weia!
Ich habe mir nun das schmale Bändchen mit dem völlig unzutreffenden Titelbild (und dem gleichermaßen unzutreffenden Satz: "SF Roman um eine neue Zivilisation in den Tiefen der Meere") aus dem Regal gezogen, wo es schon seit Ewigkeiten stand.
Clarke schrieb hiermit also eines jener "Jugendbücher", die man damals eben so auf den Markt brachte. Ich frage mich, wie er zum Schreiben kam, bei dem ständig erhobenen Zeigefinger. Der Text wirkt heute schon antiquiert, vor allem durch die Wortwahl in der Übersetzung. Reine, friedliche Forschung mit garantiertem wirtschaftlichen Nutzen für die Menschheit wird propagiert, die Gefahren entstehen gerade mal aus Unbilden der Natur.
Es geht darum, daß ein sechzehnjähriger Junge eines Nachts aus dem Haus seiner Tante, in dem er nach dem Tod der Eltern (bei einem "Luftunfall" im Original vermutlich ein air crash) lebt, abhaut und sich als blinder Passagier an Bord eines Luftkissenschiffes begibt. Damals dachte man wohl noch, daß diese Technologie sich so verbreiten könnte, daß man zu Wasser und zu Land ausschließlich mit den riesigen Krachmachern fährt. Das Schiff es fährt vielleicht unter einer Billigflagge gibt irgendwo in der Nähe von Australien seinen Geist auf und sinkt. Johnny wird von Delphinen gerettet und zu einer Insel gebracht, wo sich Wissenschaftler um einen russischen (!) Professor mit der Delphinforschung beschäftigen.
Nun ja, Johnnys Tante ist anscheinend froh, ihn los zu sein; und er darf bleiben, lernen und tauchen. Am Ende liefert Johnny nach einem Sturm die obligate Heldentat und wird auf die Uni geschickt, damit er ein richtiger Meereskundler werden kann.
Die Delphine haben eine eigene Sprache, die der Prof. entschlüsselt und zur Kommunikation mit ihnen verwendet. Ein paar von ihnen sprechen auch etwas Englisch, doch das vertieft Clarke komischerweise nicht. Und in einer alten Delphinlegende ist die Rede von einem abgestürzten außerirdischen Raumschiff in der Tiefe. Auch das bleibt offen sozusagen für die lichte Zukunft aufgespart, die vor den optimistischen Helden liegt. Das waren noch Zeiten!
Schon 1957 hatte Clarke mit "The Deep Range" ein Buch über die Tiefsee geschrieben, kein Wunder, denn der Autor betätigte sich auch als Meeresforscher. So sind denn auch die biologischen Einzelheiten seiner Schilderungen bildhaft und präzise, sehr lehrreich eben.
"Die Delphin Insel" ist ein nach heutigen Maßstäben ziemlich belangloses Buch, aber es war ganz interessant, sich auch an diese Seite der Großen der SF wieder einmal zu erinnern.

Dolphin Island, (c) 1963 by Arthur C. Clarke, übersetzt von Hans Georg Noack 1985, 154 Seiten, DM 5.80 

SX 98

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Good Omens 2

Damsel – der Film

Lois McMaster Bujold: Spiegeltanz