Margaret Ball: Changeweaver
Weber der Veränderungen
Margaret Ball: Changeweaver
(Baen Books 1993, 298 Seiten, $ 4.99)
Leider ist es mir bisher nicht gelungen, den vorhergehenden Band, "Flameweaver",
zu bekommen, aber zum Glück erschließt sich das Vergangene durch
die Handlung mühelos. Margaret Ball, die schon zusammen mit Anne McCaffrey
schrieb, ist auch allein eine bemerkenswerte Autorin, und ich werde mich
weiter bemühen, an ihre anderen Bücher heranzukommen.
Das Buch ist offenbar eine Art Fantasy, kommen doch Dämonen und
Magie vor. Andererseits hat es auch etwas von Alternate History. Und dazu
kommt noch, daß es zumindest teilweise im Stil englischer Abenteuerliteratur
des 19. Jahrhunderts geschrieben ist.
Ort der Handlung ist der Hindukusch bzw. China. Die Zeit ist genau
datiert, nämlich als das Jahr 1886. China ist das Verbotene Reich,
also gibt es nicht etwa nur eine Verbotene Stadt. Niemand hat Zutritt,
schon gar nicht die Engländer. Der Handel mit dem Westen (von China
aus gesehen) findet über die Große Seidenstraße statt,
deren Bedeutung ungebrochen ist. Was im Westen keiner weiß und glauben
mag: Die Grenzen des Reiches Chin werden nicht nur von seiner Mauer gehalten,
sondern von Dämonen, die von den Rothüten kontrolliert werden,
einer Art Priesterkaste. Ursprünglich lernten die Chinesen die Beherrschung
von Dämonen von den Schamanen der Mongolenstämme. Das war der
entscheidende Wendepunkt in der Geschichte. Angesichts des wachsenden Einflusses
der Ausländer und des Opiumimportes durch die Briten schlossen die
Chinesen ihre Grenzen einhundertfünfzig Jahre zuvor.
Der berühmte Reisende Lord Charles Carrington bekommt nun den
halboffiziellen Auftrag, in den Hindukusch zu gehen, wo sich der Ministaat
von Gandhara befindet, dem die Briten kurz zuvor (im ersten Teil) gegen
einen Angriff der Russen beistanden. Die Gandharer sollen angeblich Mittel
haben, um ihn nach China zu bringen. Dort soll er Kontakt mit Kräften
aufnehmen, denen die Isolation zum Halse raushängt... Mehr erfährt
er nicht.
Gandhara wird aber von den Weisen Frauen regiert, und diese haben,
wie viele andere Frauen an diesem Ort, Fähigkeiten, die magisch genannt
werden können. Mangels anderer Worte zumindest. Zum Teil erscheint
das, was sie machen, Illusion zu sein, aber zum anderen Teil beherrschen
sie ohne Zweifel die Naturkräfte und bewirken tatsächlich etwas.
Margaret Ball enthüllt die Möglichkeiten anhand ihrer zweiten
Hauptheldin Tamai nur schrittweise obwohl im ersten Band zweifellos schon
davon die Rede war. Daher kann man dieses Buch auch lesen, ohne Voraussetzungen
kennen zu müssen.
Tamai hat das Problem, daß sie keine Kinder bekommen kann, was
eine Voraussetzung dafür ist, die Kräfte der "Überwelt"
zu kontrollieren. Das ist schade, da sie mit diesen Kräften besonders
reichlich gesegnet ist. In Gandhara ist sie deshalb zwar nicht gerade eine
Ausgestoßene, aber sie fühlt sich manchmal so. Also stimmt sie
zu, Carrington zu begleiten was den zunächst gewaltig irritiert. Er
hatte einen Führer erwartet und nun bekommt er eine Frau, die ihn
angeblich auch noch beschützen soll! Das Weltbild eines englischen
Lords sieht das eigentlich andersherum. Ein unaufdringlicher Feminismus,
der das Buch noch mehr von gewöhnlicher Fantasy abhebt.
Die beiden ziehen also los und gelangen auch bald in die Nähe
des chinesischen Reiches. Unterwegs treffen sie die Sklavin Shahi, zu der
Tamai bald eine Art mütterlichen Gefühls entwickelt für
ihr Problem nicht ganz unwichtig. Nach ein paar Konfrontationen mit schlechten
Menschen, den Rothüten und ihren Dämonen gelangen sie schließlich
mit der Hilfe eines Mönches nach Peking. Dort erwartet sie eine kleine
Überraschung: Der Kaiser selbst ist es, der den Status Quo ändern
will. Aber auch er ist den Rothüten ausgeliefert und bald kommt es
zum großen Showdown.
Nun gibt die Autorin ihrem Buch noch einmal eine Wendung, zwar für
einen aufmerksamen Leser nicht gänzlich unerwartet, aber in dem Kontext
doch ungewöhnlich. Tamai ist an ihren Erfahrungen auf der Reise und
durch ihre Beziehungen zu Carrington und Shahi innerlich gewachsen. Der
Mönch gab ihr eine kurze Unterweisung in buddhistischen Lehren. Und
so ist es ihr nun möglich, ihre Macht zu beherrschen. In der Überwelt
greift sie ins Gewebe der Zeit selbst ein. Sie ändert den Ablauf der
Geschichte so, daß die Dämonen nie von den Chinesen entdeckt
wurden, nebenbei stabilisiert sie auch noch Gandhara im Muster der Zeit.
Es entsteht eine ganz andere Welt, und nur Tamai, Carrington und die Gandharer
wissen noch von der verschwundenen Welt.
Eine sehr interessante Lösung, die viel subtiler ist, als es jede
Konfrontation mit Feuer und Gewalt hätte sein können.
Doch das Ergebnis ist ernüchternd für unsere Helden. Mehr
oder weniger ist die Welt entstanden, wie sie Ende des 19. Jahrhunderts
wirklich war. China ein Reich, das längst jenseits jeder Größe
ist und von den arroganten Ausländern ausgebeutet wird. Die Chinesen
opiumsüchtig. Die Seidenstraße verschwunden. Ihre Rückreise
gestaltet sich eher traurig. Tamai muß außerdem verkraften,
daß ihre Herzenstochter Shahi sie nicht mehr kennt.
Aber wenigstens ist das fast schon märchenhafte Gandhara gerettet,
und natürlich finden Carrington und Tamai zueinander. Also ein schönes
Happy End mit nachdenklichen Zügen.
SX 98
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